Kleine Schritte – große Wirkung
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Er ist der Längstdienende der fünf Regionalmanager, und er hat viel gesehen: Dr. Andreas Reifschneider, früher in einem internationalen Konzern, kennt die Kliniken und Menschen des Waldviertels wie kein anderer.
Die kleine Welt, in der die große ihre Probe hält – das Waldviertel ist ein ganz eigenes Kapitel, auch als Gesundheitsregion. Nirgends ist das Land so herb, sind die Menschen so ausgesetzt wie im Norden Niederösterreichs, dem Granit-Land, das über 40 Jahre lang ausgezehrte Grenzregion am Eisernen Vorhang war. Endstation, eine Region im Schatten. Nirgends sind aber auch die Strukturen in Sachen Gesundheitsversorgung so relativ scharf abgegrenzt, die Zugehörigkeiten so klar und die Bedürfnisse der Menschen trotz allem so überschaubar. Kein Vergleich mit dem Umland von Wien, wo sich die Patientenströme zwischen der Bundeshauptstadt und dem Umland immer wieder neu verschieben. Im Waldviertel haben sich kurz nach der Jahrtausendwende die ersten Krankenhäuser in Niederösterreich zu einem Verband zusammengeschlossen, als noch lang nicht die Rede war von einer Landeskliniken- Holding, als stolze Bürgermeister noch gehofft haben, die Kliniken als Machtinstrumente erhalten zu können, trotz klammer werdender Gemeindekassen. Horn, Eggenburg, Allentsteig schließen sich zum Krankenanstaltenverband Waldviertel zusammen – und genau dieser Veränderungsprozess lockt einen erfolgreichen Manager eines internationalen Großkonzerns nach langen Wanderjahren zurück in die Heimat: Dr. Andreas Reifschneider, Jurist und Personalentwickler, der für Philips zwölf Jahre lang zwischen Europa, den USA und Asien gependelt ist, hat sich hier vor fast zehn Jahren wieder neu beheimatet, um diesen Prozess des Zusammenführens zu begleiten.
Übungsgelände im Norden
Was hat ihn gereizt an dieser Aufgabe, die so ganz anders ist als alles, was er davor getan hat? Was liebt er an seiner Arbeit als einer der fünf Regionalmanager der NÖ Landeskliniken-Holding? „Hier kann man im Kleinen gestalten, kann in unspektakulären Schritten ein sehr komplexes System im überschaubaren Rahmen verändern.“ Klingt nicht nach großen Heldentaten, nicht nach dem, was die Welt tatsächlich verändert. Tut es aber, zum Beispiel durch die IAS, die Interdisziplinäre Aufnahmestation – ein gutes Beispiel für die Philosophie des Andreas Reifschneider. Ein Beispiel für Veränderungen der über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen, das Schule macht: Nicht die Menschen pendeln zwischen den einzelnen Stationen und Diagnoseeinheiten, bis sie landen, wo sie behandelt werden müssen, sondern die Ärzte der verschiedenen Disziplinen sammeln sich in der Aufnahmestation beim Patienten, wo sie auch alle Diagnosemittel zur Verfügung haben. Im ganzen Land entstehen nach dem Horner Modell, adaptiert an die jeweiligen Bedürfnisse, Interdisziplinäre Aufnahme-Einheiten, von der Station bis zur Ambulanz, je nach Struktur und Bedarf im jeweiligen Klinikum. Was so logisch und effizient funktioniert, hat einen extrem mühsamen langen Prozess gebraucht, schildert Reifschneider, „das waren nächtelange Diskussionen, bis die Struktur entwickelt und die Ausrichtung klar war.“ Denn bisher waren die einzelnen Abteilungen kleine Königreiche, plötzlich sollten die Spezialisten aus den verschiedenen Disziplinen in einem neuen Bereich zusammenarbeiten. Neuland, das nur zu erobern war durch sehr gute Kenntnis der handelnden Personen und ihrer Bedürfnisse und Ängste. „Man darf den eigenen Aktionsradius halt nicht überschätzen“, sagt er bescheiden.
Triage als Strukturerhalter
Ende der 90er-Jahre war das Waldviertel lange nicht so gut aufgestellt, wie es das heute ist. Überkapazitäten, Betten an den falschen Stellen – von Krankenhausschließungen war die Rede. Für den Manager, der gewohnt war, Veränderungsprozesse zu gestalten, eine lockende Aufgabe. Das Krankenhaus Allentsteig wurde gänzlich neu ausgerichtet, in Eggenburg neu gebaut, und das nach dem damals so modernen PPP-Prinzip: Private Public Partnership, Zauberwort für vom Staat wegen der leeren Kassen nicht finanzierbare Vorhaben, von der Autobahn bis zum Pflegeheim. So entstand im verträumten Eggenburg das Psychosomatische Zentrum Waldviertel, ein völlig neues medizinisches Modellprojekt, das es in Österreich in ähnlicher Form sonst nur in Bad Aussee in der Steiermark gibt. Seit 2005 ist Reifschneider dort „im Nebenjob“ kaufmännischer Geschäftsführer. Die richtigen Patienten in der jeweils höchstwertigen Versorgungsform behandeln – das ist das Credo des 48-Jährigen, der im Bezirk Waidhofen/ Thaya aufwuchs. „Denn mit guter Triage haben wir es geschafft, die Standorte zu erhalten.“ Ein wichtiger Schritt, zeigen doch die jüngsten Studien der Universität Klagenfurt, wie entscheidend die Kliniken für die wirtschaftliche Prosperität der Regionen sind.
Reichtum der Vielfalt
Seinen Mitarbeitern im Waldviertel streut der Vielgereiste Rosen: „Hier gibt es so leidenschaftliche, engagierte, konstruktive Menschen, mit denen man wunderbar zusammenarbeiten und tolle Dinge auf die Beine stellen kann.“ „Richness of diversity“, den Reichtum der Vielfalt dessen, was verschiedene Menschen mit- und einbringen, hebt Reifschneider besonders hervor. Was heißt das in der Praxis? Für ihn steht die Zusammenarbeit, das Team, im Mittelpunkt, sagt er: „Denken Sie zum Beispiel an die onkologische oder neurologische Versorgung – die Stärke des Teams ist der Erfolgsfaktor, weil kein Einzelner leisten könnte, was das Team gemeinsam schafft.“ Und das auf fachlicher und menschlicher Ebene. Seine Herausforderung sei, die Begeisterung und das Engagement der Mitarbeiter aufrechtzuerhalten. Das sei gar nicht so einfach angesichts all der Verpflichtungen, die auf den Mitarbeitern in den Kliniken lasten, zum Beispiel in Fragen der Dokumentation. In seiner Region ebenso wie in der gesamten Landeskliniken-Holding liegt ihm am Herzen, den Menschen Spielräume zu ermöglichen, das Verschiedensein zuzulassen und nicht „mit dem Rasenmäher“ drüberzufahren. „Mit dieser Grundhaltung habe ich leidenschaftliche Verbündete kennengelernt – interessante, tolle, auch mühsame Menschen, vor allem Beseelte, die gemeinsam anpacken und sehr viel helfen.“ Für die Landeskliniken- Holding seien genau diese Menschen wichtige Motoren, denn „wir müssen die Spannung aufrechterhalten, das Unterschiedliche zulassen und immer wieder zeigen, dass Einzelinitiativen und höchstes Engagement wichtige Bestandteile einer guten, konstruktiven Weiterentwicklung unserer Gesundheitsversorgung sind.“ Riki Ritter-Börner
Zur Person
- Geboren und aufgewachsen in Waidhofen/ Thaya
- Verheiratet, 3 Kinder (18, 16, 11 Jahre)
- Jurist, Doktorat Universität Wien
- Hobbys: Familie, Tennis, Laufen, Fußball, Wandern und Mountainbiking
- Interessen: Lesen: europäische und amerikanische Wirtschaftsgeschichte, den Soziologen Pierre Bourdieu, von Hartmut Rosa „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“, Peter Spork „Der zweite Code: Epigenetik oder wie wir unser Erbgut steuern können“ und alles von Paul Watzlawick
+++ Erschienen in der Ausgabe GESUND + LEBEN INTERN 04/2010 +++






