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Ärztenachwuchs gesucht

Die Personalabteilungen von Land und Landeskliniken-Holding arbeiten gemeinsam an neuen Wegen, um Medizinstudenten und Jungmediziner für die Landeskliniken zu gewinnen.


Der Ärztemangel ist in den Kliniken der NÖ Landeskliniken-Holding angekommen, viele Ärztliche Direktoren sorgen sich um die mittel- und langfristige Versorgung mit Turnus- und Fachärzten – besonders in den kleinen Häusern am Land (siehe auch Porträts der Kollegialen Führungen ab Seite 28). Deshalb tun sich die Personalabteilung des Landes NÖ LAD 2B und die Abteilung Recht und Personal der NÖ Landeskliniken-Holding verstärkt zusammen, um gemeinsam effektive und neue Wege zu finden, ausreichend Ärzte für die Kliniken zu gewinnen.
Einig sind sich die Beteiligten der Diskussionsrunde, zu der GESUND+LEBEN INTERN geladen hatte, dass es immer schwerer wird, Jungärzte zu rekrutieren und dass dazu gemeinsame Anstrengungen und neue Wege notwendig sind. Wichtig ist es dabei, das Land NÖ als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren und die NÖ Landeskliniken als attraktives Umfeld für eine umfassende und gute Ausbildung.

Mag. Erika Meinolf, Leiterin der Abteilung Recht und Personal

Die enge Zusammenarbeit mit der Personalabteilung ist entscheidend. Wir können dieses Thema nur gemeinsam angehen.
Zum Thema Recruiting: Wie bekommen wir überhaupt genug junge Ärzte? Wie können wir der sehr starken Tendenz begegnen, dass immer mehr Ärzte ins Ausland gehen? Wir sehen das vor allem bei Jungärzten, die den Turnus hinter sich haben und ein bestimmtes Fach lernen wollen. Messen im Ausland sind eine gute Möglichkeit, die wir aufgreifen wollen.
Durch eine gute Ausbildung können wir junge Ärzte an unsere Häuser binden. Dazu müssen wir, und das ist auch Aufgabe der Führungskräfte, die Möglichkeiten des Bildungskatalogs und der Ärzte-Bildungsmillion ausschöpfen.
Zum Thema Vereinbarkeit Arbeit und Familie: Wichtige Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, sind Kinderbetreuung und zunehmend auch die Altenbetreuung – hier müssen wir intensiv mit den öffentlichen Einrichtungen zusammenarbeiten. Teilzeitlösungen müssen wir mehr fördern – aber dafür brauchen wir mehr Köpfe. Wir müssen einfach verstärkt darauf schauen, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

Dr. Tanja Hochegger, Turnusärzte-Vertreterin,

LK Amstetten-Mauer
Zum Thema Ausbildung: Es ist wichtig, die Ressourcen der Holding zu nutzen, damit Turnusärzte der kleinen Häuser auch Zugang zu den großen Häusern haben und so auch die „kleinen“ Fächer in der Ausbildung abgedeckt sind. Das läuft in unserer Region Mostviertel schon ganz gut. Es ist wirklich gut, seine Ausbildung an einem kleinen Haus zu machen. Im AKH zum Beispiel kann es passieren, dass man zwar alle möglichen Spezialleistungen kennenlernt, dafür aber nie zum Beispiel Masern sieht. Und noch ein Vorteil: In einem kleinen Haus bekommt man mehr Aufmerksamkeit.
Wir müssen auch die Angebote der Holding besser bewerben, zum Beispiel die Psychotherapie-Ausbildung – wir sind die Einzigen, die bis zu
15 Ausbildungstage anbieten, das tun andere Länder nicht.
Zum Thema Teilzeit: Wer in Teilzeit geht, ist nach wie vor Außenseiter. Man will sich ja nicht unbeliebt machen, und man hat ständig ein schlechtes Gewissen, wenn man wirklich geht, wenn der Dienst aus ist. Besonders schwierig ist es, wenn man, wie ich, die einzige Teilzeit-Ärztin ist. Ich hätte mich nie getraut, meinen Turnus in Teilzeit zu absolvieren – das wäre natürlich ideal mit 35 Wochenstunden in allen Fächern. Denn bei Vollzeitbeschäftigung ist man weit drüber.

Dr. Elisabeth Pauly, MSc, stellvertretende Abteilungsleiterin Medizinische und Pflegerische Betriebsunterstützung, Kompetenzbereich Medizin

Zum Thema Ausbildung: Es gibt bei der Entscheidung eines Mediziners, wo er den Turnus machen will, ein Vorurteil: An einem großen Haus habe ich alles. In den großen Häusern sind die Abteilungen aber auch sehr spezialisiert, da sieht man in der Ausbildung oft nur ein Teilgebiet. In einem kleinen Haus sehe ich alles, und ich kann auch viel mehr tun in den jeweiligen Fächern, das kleine Haus bietet also auch Vorteile.
Ein kleines Haus bietet aber nicht alle Fächer, deshalb müssen die Jungärzte dann rotieren. Der Rotationsmechanismus läuft nach Regionen, und es gibt durchaus Schwierigkeiten, etwa bei der Dermatologie, weil wir da nur zwei Abteilungen in ganz NÖ haben.
Ein Lösungsansatz sind Crashkurse von Fachärzten für Turnusärzte aus ganz NÖ, in denen die theoretischen Teile vermittelt werden. Sie werden zweimal pro Jahr angeboten, und man hat drei Jahre Zeit, sie zu erledigen.
Wichtig ist, dass die Turnusärzte gut organisiert sind und sich gegenseitig informieren, zum Beispiel auch wissen, wie in den einzelnen Kliniken und Abteilungen die Ausbildung läuft. Sie bekommen im streng hierarchischen System Krankenhaus einfach am wenigsten Aufmerksamkeit, und umso weniger, je mehr das System Klinikum unter Druck ist. Wir müssen daran arbeiten, dass ihre Ausbildung wichtiger genommen wird.

Mag. Isabella Mörth, Abteilung Recht und Personal, Bereichsleiterin Personalmanagement

Wir müssen die Jobmessen noch viel intensiver nutzen. In einer Messe in Graz waren 32 deutsche Vertreter da und nur ein österreichischer – das waren wir aus Niederösterreich. Wir müssen uns anstrengen, an den Rahmenbedingungen für Jungärzte arbeiten und an den Spielräumen, die sie brauchen. Und wir müssen kommunizieren, was wir unseren Mitarbeitern alles bieten, zum Beispiel in der Weiterbildung.

Mag. Isabella Haselsteiner, Abteilung Recht und Personal, Bereich Personalmanagement

Wir erleben bei den Messen oft, dass Jungärzte sagen, sie hätten gar nicht gewusst, was für ein attraktiver Arbeitgeber die NÖ Landeskliniken-Holding ist. Und es vergeht auch kein Tag, an dem unseren Ärzten auf Plattformen wie Xing nicht Jobs im Ausland angeboten werden. Auch wir müssen Plattformen wie Xing nutzen!

Dr. Klaus Schuster, MSc, MBA, Regionalmanager Mostviertel

Zum Thema Arbeitszeit: Wir müssen neue Arbeitszeitmodelle diskutieren, um die Kliniken für Jungärzte attraktiv zu machen, zum Beispiel, wenn sie Kinderbetreuungspflichten haben. Schaffen wir es, ein Elternteilzeit-Modell zu implementieren, das die Kollegen akzeptieren und wo der Betrieb dann trotzdem aufrechterhalten werden kann? Das müssen wir uns genau anschauen.
Zum Thema Gleichberechtigung: Ich habe mir das in den letzten zwei Jahren angeschaut: Männer werden bevorzugt, wenn es um die Assistenten-Stellen geht, ob bewusst oder unbewusst. Das ist allerdings ein entscheidendes Thema, und wir müssen unsere Expertise nützen.
Das Ziel muss sein, Dienstformen zu finden, die die Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie ermöglichen, ohne Spannung im Team zu erzeugen. Das Problem ist in der Praxis: Ich habe drei Frauen, die ein 35-Stunden-Modell wollen. Klingt eigentlich nicht schlimm. Aber damit das geht, brauche ich einen Mitarbeiter mehr ...
Zum Thema Recruiting: Wir müssen schon bei den Famulanten beginnen, ihnen günstige Wohngelegenheiten anbieten, damit sie die kleinen, periphären Häuser kennenlernen. Zum Beispiel die Psychiatrie – viele kennen den Fachbereich in den kleinen Kliniken gar nicht. Und das Problem in diesem ganzen Bereich ist: Was ich nicht kenne, kann ich nicht bewerten. Die Lehrkrankenhäuser sind für uns zwar ein Mehraufwand, weil wir sie betreuen müssen. Aber sie bringen die Studenten zu uns.

Mag. Andreas Achatz, LAD 2B

Personalabteilung
Zum Thema attraktive Arbeitszeiten: Die Medizin wird weiblich, heißt es – das stellt uns vor neue Herausforderungen in der Ausbildung. Wir brauchen neue Dienstzeitmodelle, denn es stellt sich die Frage, wie wir die Arbeitsplätze für die jeweiligen Lebenssituationen interessant machen können.
Zum Thema Recruiting: Die Frage ist, wie kommen wir an die Absolventen heran? Wir müssen da mit den Uni-Klubs zusammenarbeiten. Eine gute Chance, sie für NÖ zu gewinnen, ist die Summer Medical School in Tulln. Wir sehen das an den Bewerbungen, die sind in Tulln gestiegen. Gut ist auch, dass wir bereits zwei Lehrspitäler haben, Klosterneuburg und Tulln. Sie sind die beste Werbung für Studenten. Wir werden künftig mehr kämpfen müssen um die Absolventen.

Mag. (FH) Kristina Starkl, MA, LAD 2B, Recruiting und interne Personalentwicklung

Es ist wichtig, dass wir als sozialer Arbeitgeber auftreten, dass wir darauf setzen und uns auch deutlich nach außen positionieren. Die Informationspolitik ist noch nicht befriedigend, da können wir ein­deutig noch besser werden.
Auf Messen sehen wir oft, dass es unglaublich viele Vorurteile gibt, auch der Holding gegenüber. Wir sollten zu jeder Jobmesse Turnusärzte mitnehmen, denn sie können authentischer berichten, wie es wirklich in unseren Kliniken ist.
Eine mögliche Hilfe ist das „Praktische Jahr“, das der Entwurf der Ärzteausbildung für 2013 vorsieht. Man würde das 6. Studienjahr draußen in den Kliniken absolvieren.

Dr. Waltraud Müllner-Toifl, Leiterin Abteilung Personalangelegenheiten LAD 2B   

Als Leiterin der Personalabteilung B des Landes NÖ im Bereich der Kliniken ist mir das Recruiting von Jungmedizinern ein wichtiges Anliegen. Attraktive Arbeitsplätze, geringe Wartezeiten, intensive Beratung bei der Bewerbung sind für unsere künftigen Mitarbeiter wichtige Kriterien und für die Motivation essentiell. Top ausgebildete Mitarbeiter sind letztlich der Garant für die hervorragende medizinische Versorgung in den NÖ Landes­kliniken.
Durch die einheitliche Rechtsträgerschaft aller Kliniken haben sich die Möglichkeiten zur Aufnahme von Ärzten deutlich erhöht. Mit der zusätzlich verstärkten Öffentlichkeitsarbeit in Form von Informationsbroschüren, aber auch Präsentationen auf verschiedenen Informationsveranstaltungen mit direkter Ansprache der interessierten Medizinstudenten oder -absolventen haben wir gemeinsam mit der NÖ Landeskliniken-Holding neue Initiativen und Wege zur Gewinnung von Ärzten für NÖ gesetzt und können den geänderten Anforderungen und Bedürfnissen besser gerecht werden.

Riki Ritter-Börner
Fotos:  felicitas matern/Feelimage, bildagentur waldhäusl