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Die richtigen Produkte gemeinsam aussuchen

Von Leberknödel bis Herzschrittmacher – was in den Landeskliniken verwendet wird, das entscheiden die Nutzer. Den die Qualität sichernden Beschaffungsprozess gestaltet die Abteilung Einkauf mit 600 Praktikern aus den Kliniken.


Der Fachgruppenprozess

„600 Expertinnen und Experten aus den Kliniken arbeiten konstruktiv und objektiv bei der Auswahl der Produkte mit.“ Christian Schauer, Leiter Abteilung Einkauf

„Entscheiden, was gut und sinnvoll ist, können nur die Menschen, die mit den Produkten täglich arbeiten.“ Kaufmännischer Geschäftsführer Dipl. KH-BW Helmut Krenn

„Ein Team aus Spezialisten diskutiert und entscheidet mit hoher Kompetenz – der niederösterreichische Weg für mehr Qualität und Sicherheit!“ Fachgruppenkoordination Andrea Krug

Mag. Erika Meinolf, Leiterin Abteilung Recht und Personal

Mag. Georg Wokrinek, Bereichsleiter Vergaberecht

„Ich habe noch nie einen Fall erlebt, wo die Qualitätsanforderungen der Nutzer aus dem Leistungsverzeichnis gekappt wurden.“ Geradezu ehrfürchtig sagt Mag. Georg Wokrinek diesen Satz, so als staune er selbst darüber. Der Jurist ist Bereichsleiter Vergaberecht in der Abteilung Recht und Personal der NÖ Landeskliniken-Holding und hat schon tausende Seiten an Verfahrensunterlagen geschrieben oder deren Entstehung begleitet. Bei keinem einzigen Vergabeverfahren seien dabei Abstriche bei den Qualitätskriterien gemacht worden, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kliniken gemeinsam aufgestellt hatten – auch wenn damit nicht das billigste Produkt den Zuschlag bekommen konnte. Trotz diesem Festhalten an den Vorgaben der Nutzer kann die NÖ Landeskliniken-Holding mit ihrem zentralen Einkauf bereits große Einsparungserfolge vorweisen: 122 Millionen sind es bereits seit dem Jahr 2006. Ein Beispiel: Vor etwa vier Jahren zahlte ein Krankenhaus 800.000 Euro für einen Computertomografen. Heute, durch die professionelle Arbeit der Einkaufs-Expertinnen und Experten der Holding-Zentrale, bekommen die Kliniken für das gleiche Geld zwei CTs.

Einsparungen durch große Mengen

Zusammenarbeit und zentraler Einkauf lohnen sich also finanziell. Doch das ist nur die halbe Geschichte. Denn um derartige Synergien zu erzielen, muss man sich erst einmal genau überlegen, wie das Produkt beschaffen sein muss, das in den Kliniken verwendet werden soll. Denn der alte Spruch „Billig können wir uns nicht leisten“ gilt natürlich auch im Krankenhaus, besonders bei Medizinprodukten. Aber durch sogenannte Skaleneffekte, also den Vorteil der gemeinsamen Beschaffung, kann man bei guter Qualität der Produkte tatsächlich einiges einsparen. 27 Kliniken hatten vor Gründung der Holding ihre eigene Art, Produkte auszuwählen und damit ihre eigene Liste von Produkten und Lieferanten. Seit Gründung der NÖ Landeskliniken-Holding werden die Produkte – vom Leberknödel bis zum Herschrittmacher – systematisch in Produktgruppen zusammengefasst und standardisiert. Doch das geschieht nicht hinter den verschlossenen Türen der Abteilung Einkauf, sondern in einem offenen Prozess, erklärt Facheinkäuferin und Fachgruppenkoordinatorin Andrea Krug (siehe auch Grafik): „Wir strukturieren die einzelnen Warengruppen, mit denen wir uns in der Beschaffung auseinandersetzen wollen, sammeln Erstinformationen, laden Vertreterinnen und Vertreter der künftigen Nutzer zur Fachdiskussion ein und lassen sie definieren, was das Produkt können soll und wie es beschaffen sein soll.“

600 Experten aus den Kliniken

Wer sind diese Expertinnen und Experten, die die Entscheidungsprozesse, was in den Landeskliniken verwendet wird, begleiten? Dabei handelt es sich um mittlerweile 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Landeskliniken: Pflegekräfte sind genauso eingebunden wie Ärztinnen und Ärzte, Techniker und kaufmännische Mitarbeiterinnen ebenso wie Apothekerinnen und Labormitarbeiter – Küchenmitarbeiter bei den Leberknödeln und Primar- bzw. Oberärzte bei den Herzschrittmachern. Welche Venenverweilkanüle in den Kliniken verwendet werden, das entscheiden beispielsweise diplomierte Pflegekräfte gemeinsam mit Ärzten. Ein spannendes Thema übrigens: Das Expertenteam hat sich für Sicherheits-Venenverweilkanülen entschieden, seither sank die Zahl der Nadelstichverletzungen sehr deutlich, und schon lange vorab ist damit die EU-Verordnung zum Mitarbeiterschutz erfüllt. Und dank zentralem gemeinsamen Einkauf kommen die Sicherheitskanülen den Kliniken in Summe nicht teurer als die früheren Standardprodukte. Christian Schauer, Leiter der Abteilung Einkauf: „Diese 600 Expertinnen und Experten arbeiten hart an der Sache – konstruktiv und objektiv – und der daraus resultierende nachhaltig orientierte Einkaufsprozess mittels Fachgruppen hat sich für Niederösterreich einfach bewährt.“

47 Fachgruppen – weitere kommen dazu

Es sind also die Nutzer selbst, die in den derzeit 47 Fachgruppen entscheiden und entschieden haben, wie die Qualitätsanforderungen aussehen, die zum Beispiel Einweg-OP-Mäntel bzw. -Masken erfüllen sollen, oder die Standardverbandstoffe und OP-Einmalabdeckungen oder die Einmal-Biopsiezangen für Gastroskopie, Bronchoskopie und Colonoskopie. Das ist ein extrem wichtiger Punkt für den Kaufmännischen Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken- Holding, Dipl. KH-BW Helmut Krenn: „Entscheiden, was gut und sinnvoll ist, können nur die Menschen, die mit den Produkten täglich arbeiten. Der Meinungsaustausch der Expertinnen und Experten ist extrem wichtig für eine sinnvolle und zielorientierte Beschaffungsstrategie. Denn nur wer sich im Wundmanagement auskennt, weiß, welche Materialien bei der täglichen Versorgung akuter und chronischer Wunden gut im Handling und angenehm für die Patientinnen und Patienten sind. Deshalb erstellen hoch professionelle Anwender die Liste der Qualitätskriterien, und an diesen Kriterien wird von Seiten der Holding-Zentrale bestimmt nicht gerüttelt.“

Qualität und Preis

Stehen die Kriterien fest, sind die Vergabejuristen Georg Wokrinek, Renate Antensteiner und Stefan Zadrazil gefragt: Sie stellen die Musterunterlagen für das Vergabeverfahren zur Verfügung und geben wertvolle Tipps zur Ausgestaltung der Verfahrensabläufe, sodass die Einkäufer auf Basis der Qualitätsanforderungen hochkarätige Ausschreibungsunterlagen erstellen können. Danach werden die Produkte, die den Kriterien entsprechen, gesichtet und Qualität und Preis bewertet. Nach einer Testphase der in Frage kommenden Produkte fällen die Experten aus den Kliniken die Entscheidung, welche Produkte künftig eingekauft werden, welcher Anbieter den Zuschlag bekommt. Ein ausgeklügeltes System mit Controlling und Reporting sowie für Reklamationen sichert, dass alle Beschaffungsabläufe optimal funktionieren. Einkaufs-Chef Christian Schauer: „Wir achten auf transparente Prozesse – bis hin zur Reklamation. Nur so können wir optimale Ergebnisse hinsichtlich Qualität und Preis erzielen.“ Während medizinische Spitzengeräte wie CTs europaweit ausgeschrieben und beschafft werden, sind bei Lebensmitteln vermehrt regionale Anbieter gefragt. Denn die Küchenchefs der NÖ Landeskliniken-Holding setzen auf regionale, saisonale und biologische Lebensmittel, betont Geschäftsführer Krenn: „Die Weckerln kaufen wir am liebsten beim Bäcker in der Nähe, Fleisch und Gemüse beim Biobauern und beim Gärtner in der Region. Denn die Landeskliniken sind wichtige Wirtschaftsfaktoren in den Regionen und sichern so zahlreiche Arbeitsplätze.“ 74 % des Lebensmittel- Einkaufsvolumens wird von in NÖ beheimateten Lieferanten geliefert. Allein das schafft zwölf Millionen Euro an Wertschöpfung im Land.

Wichtiger Wirtschaftsfaktor

245 Millionen Euro geben die NÖ Landeskliniken pro Jahr für Medizinprodukte aus, 471 Millionen insgesamt für Beschaffung und Dienstleistungen – Summen, die wichtige Impulse für die Wirtschaft liefern. Dahinter steht ein langwieriger und herausfordernder Prozess des Zusammenführens der einstigen Gemeindekrankenhäuser mit ihrem Bedarf an Produkten. So nutzten die Kliniken in Summe 800 verschiedene Standardverbandsstoffe – jeder dieser Artikel braucht im System der Beschaffung, des Controllings und der Verrechnung eine eigene Materialdatennummer sowie zahlreiche hinterlegte Informationen über Lieferanten und Preise. Durch die Arbeit der Abteilung Einkauf mit den Experten aus den Kliniken sind es jetzt nur mehr 200 Standardverbandstoffe – immer noch eine Riesenzahl an Daten, aber überschaubarer als zuvor. So ist es mit allen Produktgruppen: Von den einfacheren hin zu den hochkomplexen wird Gruppe um Gruppe standardisiert – immer unter Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kliniken. Die nächsten Herausforderungen: Traumatologie- Implantate, Stents, Führungsdrähte, Patientenarmbänder zur sicheren Identifikation und vieles mehr. Dazu ist Fachwissen nötig – jenes der besten Expertinnen und Experten aus den Kliniken. Andrea Krug: „Ein Team aus Spezialisten aus den verschiedenen Bereichen diskutiert und entscheidet mit hoher Kompetenz – der NÖ Weg für mehr Qualität und Sicherheit!“ Und schließlich kommen laufend neue Produkte auf den Markt, die Fachgruppen müssen also immer wieder neu entscheiden. Alles ist in Bewegung, für spannende Diskussionen in den Fachgruppen ist weiterhin gesorgt. Und das Ziel bleibt: Die optimale Versorgungen der Patientinnen und Patienten auf dem neuesten Stand des Wissens – und gleichzeitig die finanzielle Machbarkeit.

INFOBOX

Juristischer Beistand

Tausende Seiten an Verfahrensunterlagen: Die Rechtsexpertinnen und -experten der Holding-Zentrale sichern die rechtlichen Grundlagen für sämtliche Beschaffungsprozesse ab. Experte für Vergabeverfahren: Tausende Seiten sind es, die die Abteilung Recht und Personal an Vergabeverfahren für die NÖ Landeskliniken und die NÖ Landeskliniken-Holding bisher erstellt und betreut hat, berichtet die Leiterin der Abteilung Recht und Personal, Mag. Erika Meinolf. Die erfahrene Juristin hat dafür ein spezielles Team gebildet, denn Vergabeverfahren müssen für fast alle Einkäufe der NÖ Landeskliniken-Holding gemacht werden, und das nicht selten europaweit. Denn die Grenze für Direktvergaben liegt derzeit bei 100.000 Euro und sinkt mit dem Jahreswechsel voraussichtlich auf 50.000 Euro. Über 300 Verfahrensregeln müssen die Holding-Juristinnen und -Juristen dabei beachten – übrigens eine der Verantwortungen, die mit der Gründung der NÖ Landeskliniken-Holding aus den Kliniken weg hin zur Zentrale wanderte –, eine große Entlastung für die einzelnen Kliniken. Meinolf: „Damit erledigen wir wichtige und aufwändige Serviceleistungen für die Kliniken.“ Schlanke, leicht verständliche Texte: Neben Vergaberecht- Bereichsleiter Mag. Georg Wokrinek kümmern sich noch Mag. Renate Antensteiner und Mag. Stefan Zadrazil in der Holding-Zentrale um das Vergaberecht. Dabei versucht Wokrinek auch, die Ausschreibungen verständlich und möglichst kurz zu verfassen: „Wir hatten anfangs immer Ausschreibungen von mindestens 80 Seiten. Die konnten wir durch unsere Erfahrungen mittlerweile vereinfachen, z. B. für regionale Lieferanten sind sie jetzt schlank und leicht verständlich geworden, damit niemand abgeschreckt wird.“ 

INFOBOX

So läuft der Prozess der Produktentscheidungen

Die Fachgruppen im Einkauf – ein nachhaltig orientierter Einkaufsprozess. Professionelle Anwenderinnen und Anwender der NÖ Landeskliniken definieren in den Fachgruppen neutrale und objektive Qualitätsanforderungen für die in den NÖ Landeskliniken zur Verwendung gelangenden Medizinprodukte bzw. sonstige Verbrauchsgüter. Im Besonderen wird dabei auf eine patienten- und mitarbeitersichere Handhabbarkeit der Produkte geachtet, auf ökologische Verträglichkeit, auf die Ökonomie sowie auf die damit verbundenen erforderlichen Produktmerkmale. Der zentrale Einkauf stimmt die Anforderungen an die Produkte mit den Anwendern ab und stellt dann eine objektive und transparente Beschaffung sicher. Durch die Bündelungen in den unterschiedlichen Produktgruppen können wirtschaftliche Ergebnisse (Einsparungen bzw. Dämpfungseffekte in der Kostenentwicklung) erzielt werden, sprich zusätzliche finanzielle Mittel gehoben werden, die für neue Projekte und Innovationen herangezogen werden und somit wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen. Mit der Einbindung der Anwender wird ein nachhaltiger Erfolg sichergestellt.

Der Warenkorb: Im Warenkorb der NÖ Landeskliniken-Holding befinden sich derzeit rund 95.000 Artikel – Arzneimittel, Medizinprodukte, Lebensmittel, Büromaterial und Produkte für die Medizintechnik sowie die Haustechnik.

Das Lead-Buyer-Konzept: Diese unterschiedlichen Warengruppen (Pharmazie, Medizinprodukte, Medizintechnik etc.) sind fachlich kompetenten Lead Buyern (Facheinkäufern) zugeordnet, die für die Strukturierung und Analyse der jeweiligen Warengruppen verantwortlich zeichnen. Fast alle Lead Buyer bringen umfangreiche Erfahrungen aus dem Klinikalltag mit, wodurch sie bei der Zusammenarbeit mit den Anwendern wissen, worum es im Klinikum geht.

Die Aufgaben der Lead Buyer:

  • Strategisches Einkaufsmanagement
  • Daten- und Informationsmanagement n Warengruppenmanagement 
  • Lieferantenmanagement

Das Auswahlverfahren: Jeder Facheinkäufer der NÖ Landeskliniken-Holding beurteilt und analysiert seine zugeordneten Warengruppen jährlich und definiert Artikelgruppen für Standardisierungsverfahren. Mit einer konsequent geplanten Produktstandardisierung werden, je nach Artikelgruppe, rund 80 Prozent des derzeitigen Einkaufsvolumens einer nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Standardisierung unterzogen. Der restliche Warenkorb bleibt weiterhin für individuelle Anforderungen, notwendige Innovationen bzw. spezielle Gegebenheiten bestehen. Periodische Abstimmungsmeetings sorgen im zentralen Einkauf für mehr Qualität. Denn gemeinsam mit den Anwendern gilt es Potenziale zu erkennen und die Entwicklung zu forcieren. Dazu wird jährlich, je Fachbereich (MAWI, Apotheke, Küche, Medizintechnik, Aufbereitungs- Einheit für Medizinprodukte etc.) zu periodischen Abstimmungsmeetings geladen.

Die 47 Fachgruppen im Einkauf: 31 Fachgruppen Medizinprodukte, 7 Fachgruppen Pharmazeutische Spezialitäten, 5 Fachgruppen Nicht medizinische Sachgüter, 4 Fachgruppen Medizintechnik/Investitionsgüter, 6 neue Fachgruppen (Medizinprodukte und Medizintechnik) in der Pipeline.