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Erfolgsgeschichte Entlassungsmanagement

GESUND&LEBEN INTERN lud zu „Im Dialog“ zum Thema Entlassungsmanagement – mit einer erfreulichen Erkenntnis: Das Entlassungsmanagement in den NÖ Landeskliniken ist ein Projekt mit lauter Gewinnern – zufriedenere Patientinnen und Patienten, zufriedenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, kürzere Verweildauer und eine geringere Wiederaufnahmerate.


Im Dialog.

„Es beeindruckt mich, dass die Innovation Entlassungsmanagement nur Gewinner hat – Patienten und Angehörige ebenso wie die Mitarbeiter und die Kliniken insgesamt.“ LR Mag. Karl Wilfing

Frau der ersten Stunde: DGKS Elisabeth Jeschke, Überleitungspflege/Caseund Caremanagement LK Neunkirchen, startete dort bereits 2004.

Roman Gaal, MSc, MAS, Bereichsleiter Kompetenzbereich Pflege und nicht ärztliche Gesundheitsberufe, spricht vom Entlassungsmanagement als großer Erfolgsgeschichte auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Entlassungsmanagerinnen und Entlassungsmanager der NÖ Landeskliniken trafen sich nach dem Start des Regelbetriebs im November 2012 zum Workshop in der NÖ Landeskliniken-Holding.

Mag. Karin Platz, MBA, Controlling Regionalmanagement Waldviertel, Stv. Regionalmanagerin Waldviertel, betreute das Pilotprojekt Entlassungsmanagement und entwickelte es für den Regelbetrieb.

Im LK Tulln werden seit einem Jahr pro Monat 80 bis 100 Patientinnen und Patienten vom Entlassungsmanagement betreut, berichtet Pflegedirektorin DGKS Eva Kainz, MSc.

DGKP Manfred Mayer, Case- und Caremanager LK Gmünd, bereitete den Boden für den Entlassungsmanagement- Regelbetrieb. In Gmünd werden pro Jahr etwa 700 Patienten betreut.

Dr. Robert Griessner, Medizinischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding, freut sich über die kürzere Verweildauer der Patienten sowie eine geringere Zahl an Wiederaufnahmen.

Elisabeth Jeschke ist eine Pionierin: Die engagierte diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester startete im Jahr 2004 im LK Neunkirchen das Projekt Entlassungsmanagement, weil es ihr schlicht und einfach dringend nötig erschien. „Ich habe auf der Station immer wieder gesehen, dass es vor allem für ältere Patienten und ihre Angehörigen enorm schwierig ist, alles zu organisieren, was sie nach dem Spitalsaufenthalt brauchen: Heilbehelfe, Anträge auf Sozialhilfe, mobile Pflege und vieles mehr. Man kann den Menschen im normalen Stationsbetrieb dabei einfach nicht genug helfen, das geht sich nicht aus.“ Deshalb initiierte sie – wie engagierte Kolleginnen und Kollegen in den Landeskliniken Lilienfeld und Mistelbach – ein professionelles Entlassungsmanagement. Heute betreut die ausgebildete Case- und Caremanagerin Jeschke mit ihrem Team im LK Neunkirchen pro Jahr etwa 860 Patientinnen und Patienten – jene, die nach dem Spitalsaufenthalt viel Unterstützung und Pflege brauchen werden. Den Bedarf kann man in den allermeisten Fällen schon bei der Aufnahme vor allem alter Patienten erkennen, und diese Menschen werden dem Entlassungsmanagement zugewiesen. „Wir schauen uns genau an, was der jeweilige Patient an Infrastruktur und Unterstützungsnetzwerk hat, wie belastbar die Familiensituation ist und ob man den Angehörigen Pflege und Betreuung im nötigen Ausmaß zutrauen kann. Dann hängt es von vielen Faktoren ab, was genau wir organisieren und vorbereiten.“

Zahlreiche Leistungen organisieren

Das Spektrum der möglichen Leistungen, das die Entlassungsmanager der NÖ Landeskliniken organisieren können, ist groß: Braucht ein Patient professionelle Pflege oder Betreuung rund um die Uhr? Was davon können Angehörige übernehmen? Welche Hilfen können vor Ort organisiert werden? Welche Unterstützung durch Profis braucht der Patient? Dabei geht es um Amtswege und Anträge ebenso wie um die konkrete Verfügbarkeit von mobilen Krankenschwestern, um Unterstützung bei der Körperpflege zur Entlastung der Angehörigen, um Essen auf Rädern genauso wie um die regelmäßige Nachbetreuung durch den Hausarzt, den Facharzt oder im Landesklinikum. Und um organisatorische Fragen, zum Beispiel: Wie kommt ein Pflegebett ins Haus? Wie kommt man zu den nötigen Heilbehelfen und regelmäßig zu den nötigen Medikamenten?

Multiprofessioneller Input

Dabei arbeiten die Entlassungsmanager eng mit den Sozialarbeitern in den Kliniken zusammen sowie mit den verschiedenen Therapeuten, wie Physio- und Ergotherapeuten, um eine handfeste Prognose über den zu erwartenden Betreuungs- und Pflegebedarf zu bekommen, aber ebenso mit den behandelnden Ärzten sowie den Experten für Wundmanagement. Ein schwieriges Thema, weiß Pflegedirektorin Eva Kainz, MSc, LK Tulln, sind Angehörige, die helfen wollen und sich dazu verpflichtet fühlen, das wahrscheinlich aber nicht im erforderlichen Ausmaß langfristig können – körperlich oder auch psychisch. „Viele überschätzen die eigenen Möglichkeiten, was schlussendlich den Patienten schadet, und natürlich auch den Angehörigen selbst. Und außerdem gibt es heute sehr viele Einzelhaushalte. Wenn dann ein Angehöriger Betreuung oder Pflege braucht, geht das oft schon allein aus Platzgründen, aber auch aus der Alleinverantwortung kaum. Die Menschen haben dann ein schlechtes Gewissen.“

Realistische Einschätzung

Dazu kommt, dass die Pflegebedürftigkeit oft nicht vorhersehbar war, bevor ein schicksalhaftes Ereignis wie ein Schlaganfall oder eine Hüftgelenksfraktur passiert, weiß Case- und Caremanager DGKP Manfred Mayer aus dem LK Gmünd, der das Reformpool-Pilotprojekt Entlassungsmanagement 2006 startete: „Es ist nicht leicht für die Angehörigen, sich in 14 Tagen auf eine lebensverändernde Situation einzustellen, die Belastungen durch die dauerhafte Betreuung richtig einzuschätzen und auch noch alles vorzubereiten. Wir erklären den Angehörigen, was vermutlich auf sie zukommen wird, wenn sie die Pflege übernehmen, wie sie das alles umsetzen können und welcher Weg da der beste wäre. Es geht dabei auch darum, dass sie als Angehörige Hilfe annehmen können und sich selbst nicht überfordern, denn das bringt auf lange Sicht gar nichts.“

Individuelle Konzepte

Roman Gaal, MSc, MAS, leitet den Kompetenzbereich Pflege und nicht ärztliche Gesundheitsberufe in der Abteilung Medizinische und Pflegerische Betriebsunterstützung in der Zentrale der NÖ Landeskliniken-Holding. Der ausgebildete Diplompfleger war in der Pionierphase des Projektes Entlassungsmanagement selbst überrascht, wie individuell die jeweiligen Lösungspakete für die einzelnen Patienten geschnürt sein müssen: „Wie persönlich und individuell die Bedürfnisse der Menschen sind, das war für mich anfangs ein richtiges Aha-Erlebnis. Wir haben deshalb auch keine Standard-Pakete für die Betroffenen nach Krankheitsbildern erstellt, sondern hinterfragen Schritt für Schritt die einzelnen Punkte. Ein Beispiel: Wer einen Rollstuhl braucht, braucht auch eine Lösung für eventuelle Türstaffeln und zu schmale Türen im Haushalt.“ Gaal weiß, dass im Schnitt fünf bis zehn Prozent der Patienten Unterstützung durch professionelles Entlassungsmanagement brauchen. „Der Bedarf wird durch die demografische Entwicklung, durch immer ältere Patienten mit immer mehr Erkrankungen, weiter steigen – da kommt noch einiges auf uns zu.“

Drehtür-Effekt schwindet

Mag. Karin Platz, MBA, arbeitet im Regionalmanagement Waldviertel im Controlling und ist stellvertretende Regionalmanagerin. Sie hat das Pilotprojekt Entlassungsmanagement im LK Gmünd geleitet und in den Regelbetrieb gebracht. Und sie weiß, was es den Kliniken bringt: „Wir haben die Wiederaufnahmeraten nach 14 Tagen und die Verweildauer analysiert – sie sind auch dank Entlassungsmanagement deutlich geringer.“ Und sie berichtet: „Weil die Häuser für die Entlassungsmanager keine zusätzlichen Dienstposten bekommen haben, war die Freude über die Ausrollung am Anfang gering. Doch mit der Zeit haben nahezu alle gesehen, dass sowohl die Patienten als auch die Mitarbeiter und extramuralen Partner zufriedener sind.“ Die Mitarbeiter? „Die sehen ja, wie es den Patienten geht und dass sie und die Angehörigen Hilfe brauchen, um die Rahmenbedingungen optimal zu schaffen, aber das ist im Regelbetrieb zeitlich so gut wie unmöglich. Dafür gibt es nun die Profis im Entlassungsmanagement, die unterstützen können.“

Positives Feedback

Seit der flächendeckenden Einführung von Entlassungsmanagements in den NÖ Landeskliniken hat sich viel getan. So gibt es zahlreiche Berichte von positivem Feedback der mobilen Dienste ebenso wie der Pflegeheime. Aber auch innerhalb der Landeskliniken entsteht durch die Entlassungsmanagements Neues, weiß der Medizinische Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding, Dr. Robert Griessner: „Das Entlassungsmanagement ist ein gutes Training für die künftige Krankenhaus-Organisation Denn dabei wird der gesamte Klinik-Aufenthalt entlang der Bedürfnisse des Patienten durchstrukturiert. Künftig werden die Landeskliniken viel stärker prozessorientiert organisiert sein. Diese Prozesse müssen sich entwickeln, das gelingt nicht hierarchisch-vertikal, sondern ist eine horizontale Entwicklung entlang der Bedürfnisse der Patienten.“

Zukunftsthema

Künftig werden die Entlassungsmanagerinnen und -manager noch mehr Arbeit bekommen, denn die Zahl der wirklich alten Patientinnen und Patienten über 80 Jahre steigt laufend an, und etwa 40 Prozent der Menschen über 90 leiden an Demenz – eine enorme Herausforderung, personell wie finanziell. Deshalb werden künftig, und das betonen alle befragten Entlassungsmanager, noch mehr verschiedene Betreuungsangebote gefragt sein, von der stunden-, tage- und wochenweisen Betreuung über Betreuung in der Nacht bis hin zur 24-Stunden- Betreuung und verschieden intensiv betreuten Wohnformen. Auch die Pflegeheime werden laufend stärker nachgefragt, können den Bedarf allerdings derzeit gut bewältigen. So können auch Patienten der Landeskliniken übergangsweise gepflegt werden, bis sie so weit wiederhergestellt sind, dass sie auch zu Hause leben und dort betreut werden können.

Nutzen für alle Beteiligten

Für den für die NÖ Landeskliniken zuständigen Landesrat Mag. Karl Wilfing zeigt das Entlassungsmanagement vor allem, wie wichtig menschliche Zuwendung und individuelle Betreuung in den NÖ Landeskliniken ist: „Das hilft Patienten und Angehörigen ganz enorm und reduziert deutlich das menschliche Leid, wenn Pflege und Betreuung nötig sind. Mich beeindruckt, dass dieser Service nur Gewinner kennt – zufriedenere Patientinnen und Patienten, zufriedenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und dazu auch noch zufriedenere Spitalsmanager, weil die Patienten weniger lang im Klinikum bleiben müssen und noch dazu seltener wiederaufgenommen werden müssen. Das ist wirklich ein beeindruckender Service, der allen Beteiligten nur nützt.“ 

Wichtiger Baustein MedCareBox

Die MedCareBox NÖ wurde im Rahmen des Reformpoolprojekts Entlassungsmanagement entwickelt, um Patienten mit chronischen Wunden besser versorgen zu können. Seit August gilt: Für die Übergangszeit, bis der Patient die Verbandsstoffe im niedergelassenen Bereich erhält, bekommt er diese vom Krankenhaus mit nach Hause, sie reichen etwa für eine Woche. Die Med- CareBox NÖ wird für die Patienten individuell mit den passenden Spezialverbandsstoffen und Wundreinigungsmaterialien zusammengestellt, die Kosten werden von den Sozialversicherungsträgern an die Landeskliniken refundiert 

Entlassungsmanagement: Vom Projekt zum Regelbetrieb

Das Reformpoolprojekt Entlassungsmanagement startete im Jahr 2006 im LK Gmünd. Dabei wurde ein Assessment-Instrument erarbeitet, um Patienten, bei denen ein erhöhter Betreuungsaufwand nach der Entlassung zu erwarten war, zeitnah zur Aufnahme dem Entlassungsmanagement zuzuweisen. Die Stelle des Entlassungsmanagers, der Entlassungsmanagerin wurde dafür von der Station freigestellt. Nach der Evaluierung im Jahr 2008 entstand daraus das Kooperationsprojekt PAT iENT, das auf sechs weitere Landeskliniken ausgerollt wurde: LK Wiener Neustadt, LK Neunkirchen, LK St. Pölten, LK Lilienfeld, LK Mistelbach, LK Amstetten. Die Evaluierung der sieben Landeskliniken zeigte im Jahr 2012 eine hohe Zufriedenheit der Patienten, der Mitarbeiter und der extramuralen Dienste sowie eine Reduktion der Verweildauer und Wiederaufnahmerate. Bis Ende des Jahres 2012 wurde das Projekt PAT iENT auf alle Landeskliniken ausgerollt und läuft nun im Regelbetrieb.