< vorhergehender Beitrag

„Harmonie – im Leben wie in der Musik“

Die Krankenpfleger Jürgen Schwarz (27) und Martin Himmel (30) arbeiten gemeinsam auf der Intensivstation des Landesklinikums St. Pölten – und machen gemeinsam Musik.


Martin Himmel (Mitte) und Jürgen Schwarz (1.v.l.) als Musiker mit den Bandkollegen von „Nucleus Mind“. Musik machen ist für die beiden Diplomkrankenpfleger Seelenhygiene.

Kennengelernt haben sich Jürgen Schwarz und Martin Himmel erst auf der Intensivstation im Landesklinikum St. Pölten, obwohl sie im gleichen Ort, St. Veit an der Gölsen, aufgewachsen sind. Himmel ist Drummer, Schwarz singt und schreibt die Texte – beide sind der Musik, wie ihrem Beruf, verfallen und betreiben beides mit Hingabe. Und wie eng Beruf und Hobby miteinander verbunden sind, verdeutlicht der Bandname „Nucleus Mind“: Für Schwarz ist der Name ein Synonym für das, was den Menschen ausmache, das Gehirn und seine vielen Nervenbahnen und Verbindungen, Synapsen genannt. Für Schwarz und Himmel ist das Gehirn, oder der Geist, mit seinen elektrischen Impulsen das Zentrum des Menschseins, und auch die Inspiration der Musik startet im Kopf der beiden Musiker. Himmel hat schon als Kind mit dem Schlagzeugspielen begonnen und nach dem Zivildienst entschieden, in den Pflegeberuf einzusteigen. Während des Zivildienstes hat er oft mit seiner Gitarre für eine aufgelockerte Stimmung gesorgt. „Unser Beruf ist sehr belastend, physisch wie psychisch, das Leben unserer Patienten hängt oft am seidenen Faden, wir haben sehr viel Verantwortung zu tragen“, sagt Himmel, da brauche man einen Ausgleich, und den finden die jungen Männer in der Musik. Die Band spielt ausschließlich Eigenkompositionen, man wolle nichts kopieren oder covern, sondern kreativ sein und aus dem Eigenen schöpfen, „nur so kann man sich ausdrücken, etwas von sich nach außen tragen, das sagen, was man sagen will. Musik muss Seele und Charakter haben und soll nicht einfach zum Berieseln da sein.“

„Nicht nur das Leid sehen“

Eine der größten Verantwortungen sei auch, dass man nie vergisst, dass hinter all den lebenserhaltenden Maschinen in der Intensivstation ein Mensch mit einer Lebensgeschichte liegt. Damit sie das nie vergessen, versuchen Himmel und Schwarz immer die persönliche Seite der Patienten kennenzulernen. „Die Kommunikation mit den Angehörigen ist dabei sehr wichtig“, so Himmel. „Der Mensch wird erst zum Menschen, wenn er zum Vater, zur Mutter, zur Oma oder zum Opa wird“, erklären die beiden ihre Beziehung zu den Patienten. Zwölf Patienten werden im Durchschnitt auf der Station gepflegt; die Herausforderung für Himmel und Schwarz ist, mitfühlend zu sein, aber die Schicksale nicht mit nach Hause zu nehmen. „Das ist eine Gratwanderung, man muss aufpassen, dass man nicht selber krank wird und darf nicht nur das Leid sehen“, berichtet Schwarz. Oft kommen Patienten, die wieder gesund sind, zu Besuch auf die Station – das freut die beiden immer ganz besonders.

Stressabbau und Ausgleich

Himmel ist verheiratet und hat zwei Kinder, Schwarz lebt in einer Beziehung: „Unsere Partner haben Verständnis dafür, dass wir uns jede Woche einmal zur Probe treffen. Sie unterstützen uns, sind unsere größten Fans.“ Jeder Mensch suche nach etwas, wo er sich selbst verwirklichen kann. Schwarz und Himmel haben es gefunden und wenn sie einen extrem schweren Tag hinter sich haben, „dann merken wir das bei den Proben, da kann es schon passieren, dass wir beim Improvisieren in die Melancholie abdriften“, sagt Himmel, der viel von seinem Beruf in die Musik mitnimmt, aber nicht umgekehrt. Diese Melancholie spüren die Bandkollegen sofort und gehen mit. „Danach geht es uns wieder besser, das ist echter Stressabbau, ohne Musik würde meine Welt zusammenbrechen“, ist Schwarz überzeugt. Ihren Beruf als diplomierte Krankenpfleger würden sie aber der Musik wegen nie aufgeben: „Wir brauchen dieses Wechselspiel zwischen Beruf und Musik, wir können uns in unserem Beruf genauso entfalten wie in der Musik, wir wollen nicht groß rauskommen.“

Beruflicher Alltag

Fort- und Weiterbildungen sind ein Teil ihres beruflichen Alltages und sind zugleich Motivation, immer am neuesten Stand der Pflege zu sein; die Intensivmedizin entwickelt sich ständig weiter und gerade auf einer Intensivstation sind Pflege und die fächerübergreifende Medizin ausgesprochen eng miteinander verbunden. Auch technisch müssen die beiden top ausgebildet sein, „man muss laufend die Bereitschaft haben, Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln“, lautet Himmels und Schwarz’ Forderung an sich selber.

„Emotionen wecken“

Ihre erste CD „Flash of Inspiration“ ist gerade erschienen. Am 2. Juni spielt die Band, die vor zwei Jahren zusammenfand, in St. Veit an der Gölsen und am 23. Juni im Freiraum in St. Pölten, wo das Debütalbum vorgestellt wird. Es war keine schwere Geburt, aber doch eine anstrengende – wie in ihrem Beruf stecken Schwarz und Himmel auch in ihre Musik viel Ambition, um gute Arbeit zu leisten. Mit ihrer Musik wollen die zwei Emotionen beim Publikum wecken, das sei der größte Erfolg und Lohn. Die Texte schreibt Schwarz, die in Folge in der Band gemeinsam weiterentwickelt werden, das sei das Befriedigende am Musizieren – das Gemeinsame erleben: „Wir können uns irgendwie verlieren, Musik bekommt so eine heilende Wirkung“ und alle Sorgen des Alltages sind vergessen bzw. verarbeitet. Genauso wie im Berufsleben, da stehe auch das harmonische Arbeiten im Team im Vordergrund und das funktioniere auf der Intensivstation perfekt: „Wir haben ein tolles Team, es herrscht große Harmonie, das ist das Skelett der Station, sonst würde alles zusammenbrechen. Der Mensch braucht Harmonie – im Leben wie in der Musik.“

 

 

„Nucleus Mind“ spielt am 2. Juni in St. Veit an der Gölsen und am 23. Juni im Freiraum in St. Pölten. Dort wird auch die erste CD präsentiert, „Flash of Inspiration“. Hörprobe unter www.myspace.com/nucleusmind