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Hilfe für den Klinik-Alltag

Was brauchen die Teams in den Kliniken, um mit dementen Menschen richtig umgehen zu können? Im Universitätsklinikum Krems erarbeitet eine Fachgruppe Materialien wie eine Kurzanleitung oder einen Biografie-Bogen.


Die Physiotherapeutinnen Petra Sajovic und Ursula Karner (v.l.) arbeiten mit in der von Stationsleiterin DGKS Brigitte Bohmann geleiteten Fachgruppe.

Pflegehelferin Margit Gattinger ist auf ihrer Station immer wieder mit dementen Personen konfrontiert und unterstützt sie in der Körperpflege und Ernährung. Deshalb engagiert sie sich in der Fachgruppe Demenz, die im Vorjahr am Universitätsklinikum Krems gegründet wurde. Diese interdisziplinäre Gruppe tagt vierteljährlich, befasst sich mit aktuellen Fragen, schult Interessierte und erstellt Materialien für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Klinikum. „Ich kann angespannte Situationen mit dementen Patienten jetzt viel besser entspannen“, freut sich Pflegehelferin Gattinger über ihr Wissen, das sie sich in der Fachgruppe Demenz mittlerweile erarbeitet hat. Einer der Gründe für ihr Engagement ist auch ein privater: Ihre Großmutter litt an Demenz – eine belastende Situation für die ganze Familie. Mittlerweise habe sie viel über diese für viele Menschen noch immer unverständliche und oft überfordernde Krankheit gelernt: „Jetzt verstehe ich vieles von dem, was damals bei meiner Großmutter schiefgelaufen ist.“


Multidisziplinäres Team
13 Mitarbeiterinnen und ein Mitarbeiter des Uniklinikums Krems engagieren sich in der Fachgruppe – Pflegehelferinnen und Physiotherapeutinnen, Diplomierte Pflegekräfte, Stations- und Bereichsleiterinnen und ein Arzt. Pflegedirektorin DGKS Siegrun Karner erklärt: „Menschen mit Demenz werden nicht nur in den Internen Abteilungen behandelt, wo viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerontologisch geschult sind. Wir brauchen im ganzen Haus ein Bewusstsein für den richtigen Umgang mit ihnen, weil demente Menschen so anders reagieren und man leicht überfordert ist, wenn man das nicht kennt und einordnen kann.“ Jede Phase der Demenz drückt sich durch anderes Verhalten aus, und gerade in der stressigen Krankenhaus-Situation geht es dementen Menschen oft schlechter als zu Hause, sie sind verängstigt und ziehen sich noch mehr zurück. Besonders nachts sind sie oft verwirrter als im Alltag – und verhalten sich auch so. Für Ärzte und Pflegekräfte bedeutet das, dass sie schnell erfassen und verstehen müssen, in welcher Phase sich ihre Patientin, ihr Patient befindet, um angemessen und vor allem deeskalierend kommunizieren zu können. Wie macht man beispielsweise ein Röntgenbild, wenn die Patientin ihre Handtasche verzweifelt umklammert? Dann darf die Handtasche eben mit zum Röntgen, zeigt sich Pflegedirektorin Karner gelassen. Und sie erklärt: „Manchmal können Behandlungen eben nicht oder nicht gleich gemacht werden – das muss man aushalten.“


Validation statt Eskalation
Karner geht es deshalb um die Methodenkompetenz ihrer Teams: „Man muss demente Menschen in ihrem Sein, ihrem jeweiligen Krankheitsstadium abholen. Oft haben sie ganz massive Ängste.“
Deshalb begrüßt sie einerseits die Fachgruppe Demenz als wichtigen Beitrag zum Wissenstransfer. Und sie schaut andererseits darauf, dass interessierte Pflegekräfte – ob Diplomierte oder Pflegehelfer sowie Mitarbeitende anderer Berufsgruppen (wie auf den Stationen arbeitende Physiotherapeutinnen) – die Technik der Validation beherrschen: „Validation ist Haltung und Methode“ (siehe Kasten). Oder, wie es die Leiterin der Fachgruppe Demenz, Stationsleiterin DGKS Brigitte Bohman sagt: „Validation ist wie der Hammer zum Nagel.“


Kurzanleitung für alle Stationen
Die interdisziplinäre Fachgruppe Demenz hat eine Kurzanleitung „Phasengerechter Umgang mit dementen/mangelhaft orientierten Menschen“ erstellt. Bohmann erklärt: „Zwar sind die verschiedenen Formen und Stadien der Demenz Inhalt der Ausbildung aller Pflegekräfte und Ärzte, doch in der Praxis muss man diese Phasen auch erkennen und wissen, wie man damit umgeht.“ Dafür gibt es die Kurzanleitung, die auf den Stationen aufliegt und die man als spiralgebundenes Heftchen im A6-Format in der Kitteltasche immer bei sich haben kann. Da demente Menschen besonders in der Nacht noch mehr verwirrt sind, ist es für die Pflege- und Ärzteteams wichtig, die verschiedenen Stufen der Demenz rasch einordnen und entsprechend handeln zu können. Gleichzeitig gibt es von Fachgruppen-Mitglied OA Dr. Armin Böhmer einen Leitfaden für Ärzte zur Medikation: Der Internist mit Geriatrie-Ausbildung hat eine Checkliste erstellt, die vor allem Turnusärzten im Nachtdienst helfen soll, wenn sie mit Delirien und Demenzerkrankten konfrontiert sind.


Fortbildungen im Haus
Die in der Fachgruppe engagierte Bereichsleiterin für den Konservativen Bereich DGKS Monika Zwirchmayr legt großen Wert auf die Fortbildungen, die die Fachgruppe Demenz für die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus anbietet: „Im Alltag braucht man die richtigen Werkzeuge, denn sonst erreicht man die Menschen nicht. Wenn ich weiß, wie ich mit einem dementen Menschen in seiner jeweiligen Situation richtig umgehe, nimmt das im Pflegealltag viel Stress heraus.“ Ebenso wichtig ist Zwirchmayr die Vernetzung mit dem niedergelassenen Bereich, mit der Selbsthilfegruppe Demenz und mit den Pflegeheimen.


Viele Herausforderungen
Für Fachgruppen-Leiterin Bohmann ist die Kurz­anleitung nur der erste Schritt. Auch ein Biografie-Bogen ist bereits fertig, denn es hilft, wenn man was über das tägliche Umfeld dieses Menschen weiß: Ist er gewohnt, täglich zu duschen oder nicht? Hat er ein Haustier? Erstellt ist auch eine spezielle Pflegeplanung, die jetzt für die tägliche Arbeit in den Stationen für den PC aufbereitet wird. Thema in der Fachgruppe sind ebenso Hilfsmittel wie Sensorschienen, die Alarm schlagen, wenn ein dementer Mensch sein Bett verlässt, oder ein Mobilisationswagen sowie andere Hilfsmittel, die die Arbeit auf den Stationen erleichtern. Einer der Punkte: Symbole, damit demente Menschen finden, was sie suchen, denn, sagt Bohmann: „Das Schild „WC“ oder „Teeküche“ sagt manchen Menschen nichts mehr – da brauchen wir andere Lösungen.“                     

Was ist Validation?
Menschen mit Demenz verlieren zunehmend den Realitätsbezug, weil beim Hirnabbau meist der Aktualitätsbezug und die jüngeren Gedächtnisinhalte verloren gehen. Das macht die Kommunikation extrem schwierig, rationale Aspekte zählen nicht mehr. Validation ist eine Kommunikationstechnik von Naomi Feil, die darauf abzielt, einen Kontakt zum Betroffenen aufzubauen und ihn in seinen Äußerungen zu bestätigen – und keinesfalls in Konfronta­tion zu gehen. Man lässt sich ohne Bewertung auf den Menschen mit Demenz ein. Das beruhigt ihn und ermöglicht, in vielerlei Hinsicht mit ihm zu arbeiten. (zusammengefasst aus „Alltag mit Alzheimer-Demenz“, www.focuspatient.at)