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Wie sehr belastet die Arbeit?

Per Fragebogen wird in den nächsten Wochen die arbeitsbedingte psychische Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den NÖ Landeskliniken evaluiert. Für GESUND&LEBEN INTERN ein guter Grund, die Verantwortlichen zu „Im Dialog“ zu laden.


Mag. Riki Ritter-Börner, Chefredakteurin GESUND&LEBEN Intern, Dr. Markus Klamminger, stellvertretender Medizinischer Geschäftsführer und Leiter der Abteilung Medizinische und Pflegerische Betriebsunterstützung, Mag. Andreas Achatz, Leiter Personalabteilung LAD2-B des Landes NÖ, Mag. Karl Wilfing, für die NÖ Landeskliniken zuständiger Landesrat, Dipl. KH-BW Helmut Krenn, Kaufm. Geschäftsführer NÖ Landeskliniken-Holding, Mag. Jürgen Fritsche, Leitung Arbeitspsychologie und Betriebliche Gesundheitsförderung im AMZ, Dr. Gabriela Klamminger, arbeitsmedizinische Koordinatorin der NÖ Landeskliniken-Holding und Arbeitsmedizinerin in der Holding-Zentrale, Peter Maschat, Vorsitzender Zentralbetriebsrat der NÖ Landesbediensteten

Das Wesentliche vorweg: Je mehr Personen sich an der Umfrage beteiligen, desto repräsentativer sind die Ergebnisse – und desto besser können Lösungen in allen Einheiten der Landeskliniken gefunden werden.Schon wieder eine Umfrage? Möglich, dass manche Mitarbeiterin und mancher Mitarbeiter so auf einen Fragebogen reagiert, der demnächst online zur Verfügung steht. Es zahlt sich aus, sich die Zeit zum Ausfüllen zu nehmen, wie das Beispiel der Zentrale der NÖ Landeskliniken- Holding zeigt: Dort belastet der Lärm in den Großraumbüros einige Mitarbeiter stark. Ein Ergebnis, mit dem der Kaufmännische Geschäftsführer der Holding, Dipl. KH-BW Helmut Krenn, nicht gerechnet hatte, als er die Evaluierung der psychischen Belastungen als Testlauf in der Holding-Zentrale startete. Nun werden Trennwände eingezogen und mit diversen anderen Maßnahmen versucht, den stressenden Lärmpegel zu senken, und damit die psychischen Belastungen. In Zeiten, in denen Burnout immer öfter auftritt, ist es eine Frage der Vernunft, alle Faktoren im Alltag zu reduzieren, die stressen. Hat man das im Privatleben noch einigermaßen in der Hand, so ist es im Berufsalltag mit den arbeitsteiligen Aufgaben und der Fremdbestimmtheit vieler Abläufe nicht mehr so einfach, selbst etwas zu verändern. Hier sind die Führungskräfte gefragt, bei den Mitarbeitern genauer hinzuschauen und jene Faktoren zu verändern, die sich verändern lassen. Dafür muss man sie aber erst kennen. Und diese Evaluierung geschieht in den nächsten Wochen in den NÖ Landeskliniken, um punktgenau herausfinden zu können: Was belastet besonders am jeweiligen Arbeitsplatz? Was drückt auf die Psyche, was nervt und was ist extrem anstrengend? Das werden per speziellen Fragebogen alle Mitarbeiter gefragt. Es ist ein kurzer Fragebogen – es dauert nur 15 bis 20 Minuten, um ihn auszufüllen. Online zur Verfügung gestellt wird er vom Arbeits- und Sozialmedizinischen Zentrum (AMZ), einem externen Partner, der auch die Auswertung übernimmt.

Gesetzliche Vorgabe

Die Evaluierung der psychischen Belastungen ist eine gesetzliche Vorgabe. Das Arbeitsinspektorat wacht darüber, dass sie durchgeführt wird. Für die Geschäftsführung der NÖ Landeskliniken-Holding geht es dabei aber um wesentlich mehr als das Erfüllen des gesetzlichen Auftrags, betont Holding- Geschäftsführer Helmut Krenn: „Wir wollen diese Evaluierung wirklich nutzen, um einen Gewinn für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herauszuholen, um für sie das Umfeld bestmöglich zu gestalten. Der Druck ist überall enorm, das wissen wir – im medizinischen und pflegerischen Bereich sowieso, aber auch in der Verwaltung. Deshalb haben wir uns mit dem AMZ einen sehr guten und erfahrenen externen Partner für diese Evaluierung ins Boot geholt.“ Und Dr. Robert Griessner, Medizinischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding, ergänzt: „Ohne Frage gibt es in den Landeskliniken wie in jedem Krankenhaus zahlreiche Belastungen, wie Nachtarbeit und Schichtdienst, steigende Patientenzahlen sowie die tägliche Konfrontation mit Krankheit, Leid und Tod. Deshalb ist es so wichtig zu schauen, was wir tun können. Wir haben es beim Probelauf in der Holding-Zentrale gesehen: Oft weiß man als Vorgesetzter gar nicht, was konkret für die einzel- nen Mitarbeiter belastend ist. Wenn man es aber weiß, kann man auch etwas dagegen tun. Ich sehe es als unseren Auftrag, zu tun, was möglich ist, um unnötige Stressoren auszuschalten.“

Erfahrungen aus einem Klinikum

Das AMZ hat bereits Erfahrungen mit derartigen Umfragen im Klinik-Bereich: Vor einigen Jahren wurde eine ähnliche Befragung im Landesklinikum Wiener Neustadt durchgeführt. Das damals Gelernte fließt in die bevorstehende Evaluierung ein, erklärt Mag. Jürgen Fritsche, Leitung Arbeitspsychologie und Betriebliche Gesundheitsförderung im AMZ: „Jede Berufsgruppe hat ihre spezifischen Belastungsfaktoren – von der Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen bis zu den steigenden Patientenzahlen oder den Arbeitszeiten und dem Zeitdruck. Deshalb gibt es für die verschiedenen Berufsgruppen und Tätigkeitsbereiche unterschiedliche Fragebögen, um punktgenaue Ergebnisse zu ermöglichen.“ Und er betont, dass es nicht um Befindlichkeiten gehe, sondern um die ganz konkreten Arbeitsbedingungen und Arbeitsmerkmale: „Die Frage ist zum Beispiel: Haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles, was sie brauchen, um ihre Arbeit gut zu machen? Wenn ich nicht die benötigten Informationen, Materialien und Arbeitsmittel zur Verfügung habe, entsteht eine sogenannte Fehlbelastung und in weiterer Folge Stress. Doch davon wissen die Vorgesetzten nicht unbedingt, wenn man es nicht kommuniziert.“ Und Fritsche ruft auf, sich wirklich an der Evaluierung zu beteiligen: „Je mehr mitmachen, umso genauere und validere Ergebnisse bekommen wir – und damit die Chance, potentiell gesundheitsgefährdende Arbeitsplatzsituationen abzubauen. Nur wer sich beteiligt, ermöglicht Veränderungen.“

Absolut anonyme Befragung

Und was passiert mit den ausgefüllten Fragebögen? Dr. Gabriela Klamminger, arbeitsmedizinische Koordinatorin der NÖ Landeskliniken- Holding und Arbeitsmedizinerin in der Holding-Zentrale: „Auswerten wird sie das AMZ, und es ist uns dabei sehr wichtig, dass die Ergebnisse wirklich anonymisiert sind und niemand Sorge haben muss, dass man ihm einen Fragebogen zuordnen kann. Deshalb können wir auch Gruppengrößen unter acht Personen nur der nächst größeren Gruppe zuordnen und nicht speziell auswerten lassen.“ Die Online- Fragebögen laufen zum Beispiel über einen externen Server, sodass niemand aus der Holding Zugriff auf die Daten hat. Und die Daten bleiben auch langfristig beim AMZ, versichern die Verantwortlichen.

Ergebnisse nutzen

Die Ergebnisse der Befragung werden im kommenden Jahr in Ergebnis-Workshops den Entscheidungsträgern sowie den jeweiligen Arbeitskreisen Psychische Evaluierung in den einzelnen Landeskliniken gezeigt. Zur konkreten Nutzung erarbeiten Mitarbeiter in speziellen Ergebnis- Workshops (Prioritätenliste), was sich ändern soll und welche Maßnahmen gesetzt werden könnten. Die Führungskräfte entscheiden dann, welche Maßnahmen kurz-, mittel-, bzw. langfristig umgesetzt werden. Schließlich werden alle Mitarbeiter über die Befragungs-Ergebnisse und die geplanten Maßnahmen informiert. Der Umsetzungsgrad der Maßnahmen soll regelmäßig erhoben und überprüft werden, damit sich auch wirklich etwas verändert. Klamminger: „Ich bin sicher, wir werden so einiges bewegen können. Nicht alles von heute auf morgen, aber ganz sicher werden das viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spüren – und damit weniger belastet sein, und zufriedener und gesünder. Oft erzielen schon kleine Veränderungen große Wirkungen!“ Und Geschäftsführer Krenn ergänzt: „Diese Befragung ist Neuland für uns. Aber ich bin überzeugt, sie macht Sinn und ist wichtig. Wir wollen helfen, dass Probleme gelöst werden, die Resilienz und mentale Stärke unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stützen und erhalten, und ihnen damit ermöglichen, ihre bestmögliche Leistung erbringen zu können – ohne unnötige Einschränkungen.“ 

INFOBOX

Evaluierung der psychischen Belastungen

Die Umfrage Die Umfrage, die in den nächsten Wochen läuft, hat zwei Ziele:

  • Erfüllen der gesetzlichen Vorgabe
  • Gewinn für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Die Fragebögen (zugeschnitten auf einzelne Zielgruppen) kommen vom Arbeits- und Sozialmedizinischen Zentrum Mödling (AMZ) und werden dort auch ausgewertet. Damit einzelne Antworten nicht zuordenbar sind, muss die Mindestgröße der befragten Gruppe sieben Personen betragen. Die Arbeitsbedingungen stehen im Fokus, es werden keine personenbezogenen Daten wie Alter, Geschlecht, Dauer der Zugehörigkeit etc. erhoben. Befragt werden alle Berufsgruppen in den NÖ Landeskliniken.

Das Ausfüllen

Wichtig ist, dass sich viele Mitarbeiter an der Evaluierung beteiligen, wobei der Fragebogen möglichst online ausgefüllt werden sollte, um die Datenmengen besser und günstiger handhaben zu können. Für Mitarbeiter ohne elektronischen Zugang wird der Fragebogen in Papierform zugänglich sein. Das Ziel: möglichst viele psychische Belastungen zu reduzieren, um damit wirkungsvolle Burnout-Prophylaxe zu bieten.

Beispiel-Fragen

Der jeweilige Fragebogen ist genau auf den Arbeitsbereich und die Aufgaben zugeschnitten. Das Ausfüllen dauert etwa 15 bis 20 Minuten. Ideal wäre, wenn möglichst viele Mitarbeiter online ausfüllen. Gefragt wird z. B.: Können Sie bei Ihrer Arbeit Neues dazulernen? Können Sie bei Ihrer Arbeit Ihr Wissen und Können voll einsetzen? Können Sie Ihre Arbeit selbständig planen und einteilen? Ebenso geht es um Einschätzungen wie: Bei meiner Arbeit sehe ich selber am Ergebnis, ob sie gut war oder nicht. Oder: Ich stehe häufig unter Zeitdruck. Oder: Oft stehen mir die benötigten Informationen, Materialien und Arbeitsmittel nicht zur Verfügung. Oder: Ich werde bei meiner eigentlichen Arbeit immer wieder durch andere Personen unterbrochen.

Die Befragten

Befragt werden Menschen aus folgenden Tätigkeitsbereichen:

  • Ärztepersonal
  • Pflegepersonal
  • sonstige nicht ärztliche Gesundheitsberufe
  • Verwaltung
  • Arbeiter und Haustechniker
  • Reinigungskräfte
  • Führungskräfte
  • sonstige

Befragt wird an allen 27 Standorten der NÖ Landeskliniken, und zwar spezifiziert auf folgende Arbeitsbereiche:

  • Interne/Remobilisation und Nachsorge
  • Chirurgie/Anästhesie/Unfall/Intensiv/Notfall/Herzchirurgie
  • Kinder- und Jugendabteilungen/Kinder- und Jugendpsychiatrie
  • Labor/Radiologie/Pathologie/Hygiene
  • HNO/Augenheilkunde/Orthopädie/Dermatologie/Urologie/ Plastische Chirurgie
  • Neurologie/Psychiatrie/Palliativ/Strahlentherapie
  • Gynäkologie und Geburtshilfe
  • andere Fachbereiche

Die Auswertung

Ihre Angaben werden anonym und extern durchs AMZ erhoben und ausgewertet. Die Antworten werden direkt und ausschließlich über den externen Server des AMZ erfasst, gespeichert und verbleiben ausschließlich im AMZ. Die Auswertung findet ebenfalls durch das AMZ statt. Dabei werden keine Einzelergebnisse sichtbar, sondern nur eine anonyme Gesamtauswertung der Durchschnittswerte aller Mitarbeiter. Eine zusätzliche Auswertung wird nur von jenen Untergruppen erstellt, die die Antworten von mindestens sieben oder acht (stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest) Mitarbeitern enthalten. Das heißt, die Daten einzelner Personen sind der Geschäftsführung oder Mitarbeitern des AMZ nicht zugänglich und damit ist ein Rückschluss auf die Antworten einzelner Personen zu keinem Zeitpunkt möglich.

Die Ergebnisse

Die Ergebnisse werden, ebenfalls direkt durch das AMZ, der Geschäftsführung und weiteren Entscheidungsträgern präsentiert. In verschiedenen Workshops in den einzelnen Häusern und befragten Gruppen werden dann Maßnahmen erarbeitet. Dass die Maßnahmen auch umgesetzt werden, wird durch die Holding- Zentrale beobachtet und evaluiert.

ZITATE

Mag. Andreas Achatz, Leiter Personalabteilung LAD2-B des Landes NÖ:

„Wichtig ist, dass die Belastungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau erhoben werden können. Wir wissen, dass es Belastungen gibt, aber nur auf konkrete Ergebnisse kann man auch mit konkreten Maßnahmen reagieren, und genau darum geht es bei dieser Evaluierung. Deshalb hoffe und ersuche ich, dass in allen Berufsgruppen und in allen Standorten möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Fragebogen ausfüllen. Ich bin sehr dankbar, dass dieser Prozess nun startet, damit konkrete Erleichterungen und Verbesserungen möglich werden. Die NÖ Landeskliniken-Holding ist mit dieser Evaluierung übrigens Vorreiter.“

Mag. Karl Wilfing, für die NÖ Landeskliniken zuständiger Landesrat:

„Als an meinem früheren Arbeitsplatz Mitarbeitergespräche eingeführt wurden, war ich erst der Meinung, dass man sich sowieso ständig austauscht, weil man den gesamten Arbeitstag immer wieder miteinander redet und derartige Gespräche nicht nötig seien. Doch das Ergebnis hat mich wirklich überrascht: Durch gut strukturierte Fragen wurden Themen angesprochen, mit denen ich vorab nicht gerechnet hatte. Deshalb ist diese Befragung ein sehr wichtiges Werkzeug, um ganz konkret zu schauen, was belastet. Sie zeigt auch, wo Führungskräfte von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als unterstützend und wertschätzend gesehen werden – ein nicht unwichtiger Faktor für die psychische Gesundheit.“

Peter Maschat, Vorsitzender Zentralbetriebsrat der NÖ Landesbediensteten:

„Mir ist es wichtig, dass wir einen groben Überblick bekommen, was tatsächlich belastend ist. Denn man hört ja Verschiedenes. Manches liegt im konkreten Arbeitsbereich – da kann man etwas verändern, und manches liegt in der Natur der Sache. Was wir sehr oft spüren: Gerade Mütter mit Kindern sind enorm belastet, wenn die Kinderbetreuung nicht passt, zum Beispiel zu den Arbeitszeiten. Das sehen wir auch daran, wie gut zum Beispiel der Betriebskindergarten im Landesklinikum Krems angenommen wird. Entscheidend ist auch, welche Unterstützung Mitarbeiter haben, die jemanden pflegen und betreuen müssen. Was neu ist: Bei den jungen Diplomierten Pflegekräften steigen manche schon mit 26, 27 Jahren wieder aus, weil für sie die Kluft zwischen Berufsbild und Alltag zu groß ist.“

Dr. Markus Klamminger, stellvertretender Medizinischer Geschäftsführer und Leiter der Abteilung Medizinische und Pflegerische Betriebsunterstützung:

„Hier geht es nicht darum, dass wir mehr Personal brauchen – wir wissen, dass es mancherorts mehr sein könnte. Bei dieser Evaluierung geht es um den Stresspegel und die psychischen Belastungen am jeweiligen Arbeitsplatz und in der jeweiligen Berufsgruppe. Destruktiver Stress wird auch von anderen Faktoren ausgelöst, wie unklare Arbeitsaufträge, sehr oft durch fehlende oder ungenügende Kommunikation oder durch ganz banale Dinge wie schlechte Lichtverhältnisse. Wir wollen wissen, wo wir ansetzen müssen. Vielleicht fängt das auch schon bei der Ausbildung der Pflegekräfte an.“