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Zusammenarbeit für mehr Qualität

16 Tumorboards gibt es derzeit in den NÖ Landeskliniken, einige Häuser arbeiten eng zusammen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit über die Klinikgrenzen hinweg bringt bessere Ergebnisse im Kampf gegen Krebs. T


"Im Dialog"-Gespräch.

Prim. Univ.-Doz. Dr. Friedrich Längle, Leiter Chirurgie, LK Wiener Neustadt

Prim. Univ.-Doz. Dr. Brigitte Pakisch, Leiterin Abteilung Radioonkologie und Strahlentherapie, LK Wiener Neustadt

OA Univ.-Prof. Dr. Martin Pecherstorfer, Abteilung Innere Medizin, LK Krems

Prim. Prof. Dr. Martin Breitenseher, Leiter Institut für Radiologie und interventionelle Radiologie, LK Horn

Prim. Dr. Christa Freibauer, Leiterin Institut für Pathologie, LK Mistelbach

Prim. Priv.-Doz. DDr. Hermann Brustmann Leiter Abteilung Klinische Pathologie, LK Baden-Mödling

Mag. Sandra Büchse, zuständige Expertin in der NÖ Landeskliniken-Holding, Abteilung Medizinische und Pflegerische Betriebsunterstützung

Dr. Robert Griessner, Medizinischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding

Landeshauptmann- Stv. Mag. Wolfgang Sobotka

umorboards sind Treffen von Experten verschiedener medizinischer Fachrichtungen, bei denen sie miteinander die Fälle von Krebspatienten besprechen. Im Juni startete in allen Landeskliniken der Region NÖ Mitte die spitalsübergreifende Besetzung der Tumorboards mittels Videokonferenzen. Dieser Expertisenaustausch (besonders was die Radioonkologie betrifft), fand bisher bereits in den Kliniken Baden-Mödling sowie Wiener Neustadt statt. Damit können alle Fachexperten die Vorgehensweise bei Krebspatienten gemeinsam besprechen – das sichert die bestmögliche Therapie. Laut Österreichischem Strukturplan Gesundheit müssen Ärzte folgender Fachrichtungen im Tumorboard persönlich oder über Videokonferenz anwesend sein:

  • Diagnostizierendes, operatives oder konservatives Fach (organspezifisch) – das ist der Casemanager, der Fall-führende Facharzt
  • Radioonkologie
  • Radiologie
  • Innere Medizin/Hämatoonkologie
  • Pathologie

16 Tumorboards gibt es derzeit im Land, die einmal pro Woche oder alle zwei Wochen tagen. Eine Richtlinie regelt Ziele, Rahmenbedingungen, Abläufe, Frequenz, Ort, Zeit, Dokumentation, Funktionen und Aufgaben. Die Pilotphase für die Videokonferenzen in der Region NÖ Mitte endet derzeit, die Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge kommen allen Landeskliniken zugute. Denn bis Jahresende sind alle Landeskliniken mit Videokonferenzsystem ausgestattet. Angesichts der Neuerungen und der seit Jahresbeginn geltenden Verpflichtung der Kliniken, Tumorboards abzuhalten, lud G+L INTERN zu „Im Dialog“.

 

Prim. Univ.-Doz. Dr. Friedrich Längle, Leiter Chirurgie, LK Wiener Neustadt: „Der Vorteil der Tumorboards ist, dass man den anderen Experten nicht ‚nachlaufen‘ muss, sondern einen gemeinsamen Termin hat, wo man sich austauschen kann. In den Tumorboards prallen medizinische Welten aufeinander, denn Internisten und Chirurgen gehen Themen komplett anders an. In meinem Spezialgebiet Leberchirurgie habe ich bei den Boards im AKH sehr viel Erfahrung sammeln können. Wir haben jetzt eine Onko-Datenbank im Probebetrieb, da schauen wir uns gerade den Aufwand für das Befüllen an. Diese Datenbank kann uns ungeheuer wertvolle Daten für die Forschung liefern.“

 

Prim. Univ.-Doz. Dr. Brigitte Pakisch, Leiterin Abteilung Radioonkologie und Strahlentherapie, LK Wiener Neustadt: „Wir haben nur zwei Radioonkologien in NÖ. Pro Woche leisten wir über 20 Stunden reine Besprechungszeit, da sind die Fahrten und die Vor- und Nachbereitungszeit noch gar nicht dabei. Wir versorgen auch Eisenstadt mit, sowie Oberwart, Baden und Hochegg per Video. Ich liebe die Arbeit im Tumorboard. Die Interdisziplinarität ist toll und wir spüren eine sehr hohe Wertschätzung. Die Patienten sehen das Tumorboard uneingeschränkt positiv, sind sehr dankbar, dass alle Experten zusammen über ihren Fall reden. Das gibt ihnen viel Kraft und Zuversicht.“

 

OA Univ.-Prof. Dr. Martin Pecherstorfer, Abteilung Innere Medizin, LK Krems: „Gerade in der Krebstherapie haben wir eine enorme Chance, weil die Landeskliniken alle unter dem Dach der Holding sind. Deshalb habe ich ja auch 2008 mit den NÖ-weiten Onkologie-Tagen begonnen. Gemeinsam haben wir eine ungeheure Macht, wenn es zum Beispiel darum geht, Studien zu machen. Wir haben tausende Patienten, da sind wir auch interessant für das Testen neuer Krebsmedikamente und können unseren Patienten helfen und Hoffnung geben, noch lange bevor die Medikamente regulär zu bekommen sind.“


Prim. Prof. Dr. Martin Breitenseher, Leiter Institut für Radiologie und interventionelle Radiologie, LK Horn: „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit bringt riesige Fortschritte für die Patienten – so sind beim Osteosarkom früher 80 Prozent der Patienten verstorben, jetzt überleben 80 Prozent. Wir lernen alle ungeheuer viel voneinander, denn Tumorboards sind Plätze der Kommunikation und des Wettbewerbs der Argumente. Bei uns gibt es eine Art Dienstanweisung: Das beste Argument gilt. Sehr gut ist das Tumorboard auch für die Ausbildung: Hier lernen junge Ärzte problemlösungsorientiert zu denken und zu arbeiten.“

 

Prim. Dr. Christa Freibauer, Leiterin Institut für Pathologie, LK Mistelbach: „Die Pathologie spielt in den Tumorboards eine zentrale Rolle. Wir Pathologen stellen mit unseren Befunden möglichst viele Diagnose- Parameter für optimale Therapieentscheidungen bereit. Unsere Befunde sind jetzt für die verschiedenen Fachärzte weniger abstrakt, wir besprechen einen Teil der Fälle auch anhand von Fotos von den Gewebsschnitten. Wir können nun gegenseitig besser abschätzen, was machbar ist und was nicht und lernen sehr viel. Wir Pathologen konnten zum Beispiel unser Wissen über verschiedene Therapie-Optionen bei einer Tumorerkrankung erweitern, und umgekehrt wissen unsere klinischen Partner genauer, was die Voraussetzungen sind, um einen optimal aussagekräftigen pathologischen Befund zu erstellen.“

 

Prim. Priv.-Doz. DDr. Hermann Brustmann Leiter Abteilung Klinische Pathologie, LK Baden-Mödling: „Bei uns läuft das Tumorboard seit längerer Zeit schon sehr gut. Es ist ISO-zertifiziert mit definierten Abläufen und wir haben sehr viel wissenschaftlich verwertbaren Output – eine der vielen Ebenen der Qualitätskontrolle. Das Tumorboard ist ein gutes Tool, um Kompetenz zu erwerben, zu lernen und eigene Ergebnisse zu publizieren. Und das Tumorboard hat die Rolle der Pathologien aufgewertet, wir haben jetzt nicht mehr dieses Seziersaal-Image und wir sind vernetzt.“

 

Mag. Sandra Büchse, zuständige Expertin in der NÖ Landeskliniken-Holding, Abteilung Medizinische und Pflegerische Betriebsunterstützung: „Derzeit arbeiten wir an der Ausrollung sowie Organisation im Handling mit den Videokonferenzen in ganz NÖ sowie an diversen Anpassungen der Systeme - wir hatten ursprünglich eine sehr heterogene Landschaft im IT-Bereich, in der Organisation, Dokumentation, Anmeldung der Patienten, Zusammensetzung des Tumorboards sowie in der Bildgebung, die durch Organisationsveränderungen und sehr viel Engagement der Ärzte verbessert werden konnte. Mittels Videokonferenzen können nun auch spitalsübergreifend direkt ausgehend vom elektronischen Arbeitsplatz alle Arztbriefe, Radiologiebefunde und –bilder, Histologiebefunde, Laborbefunde und auf die gesamte Krankengeschichte des Patienten gesichtet und gemeinsam besprochen werden. Wir beschäftigen uns weiterhin mit der Entwicklung eines QM-Evaluierungssystems der Tumorboards mittels messbaren Kennzahlen sowie mit der Erstellung eines in NÖ einheitlichen Prozesses.“

 

Dr. Robert Griessner, Medizinischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding: „Tumorboards ermöglichen strukturierte und institutionalisierte Beratungsprozesse der beteiligten Experten – darüber freue ich mich sehr. Wir stan dardisieren derzeit Schritt für Schritt die Abläufe in den Boards. Die Onkologie-Datenbank entwickelt sich, alle relevanten Daten sind darin gespeichert. Es gibt sehr viel zum Auswerten und Beobachten, eine unschätzbare Quelle zur Wissensgenerierung. Und wir können erstmals systematisiert Langzeit-Beobachtungen machen: Zum Beispiel, wie es Brustkrebs-Patienten nach fünf Jahren geht und woran sie wirklich sterben. Das sind unschätzbare Beiträge zur Qualitätssicherung.“

 

Landeshauptmann- Stv. Mag. Wolfgang Sobotka: „Entscheidend ist die Kommunikation in den Tumorboards, auch über Hausgrenzen hinweg. Denn die Frage heißt ja immer: Um wie viel besser geht es den Patienten? Wir wollen das Vertrauen der Menschen gewinnen, wollen zeigen, dass man sich den Experten in NÖ auch bei speziellen Diagnosen anvertrauen kann. Ich bedanke mich bei allen, die diese Entwicklung vorangetrieben haben – das war in Niederösterreich Niemandsland, und jetzt stehen wir gut da.“ Riki Ritter-Börner

 

INFOBOX

Onkologie-Tag

2013 OA Univ.-Prof. Dr. Martin Pecherstorfer, Innere Medizin LK Krems, organisiert die Onkologie-Tage für die gesamte NÖ Landeskliniken- Holding: „Damit nutzen wir den Vorteil, den die Landeskliniken-Holding bietet: Der Onkologie-Tag ist für alle Experten in ganz Niederösterreich gedacht.“ Im Herbst 2013 geht es beim 3. NÖ Onkologie- Tag in Wiener Neustadt um die künftige Zusammenarbeit mit MedAustron, dem Strahlentherapiezentrum, wo heuer noch mit dem Einbau des Teilchenbeschleunigers in den fertigen Rohbau begonnen wird. Thema wird auch die neue Karl Landsteiner Medizin-Uni in Krems sein, die 2013 startet.