Ärzte für heute und morgen
An den NÖ Landeskliniken fehlen heute schon Turnusärzte, einige Facharztstellen sind schwer zu besetzen. Deshalb unternehmen die NÖ Landeskliniken-Holding und das Land NÖ zahlreiche Anstrengungen, um die Versorgung zu sichern.

„Die Rotation in der Region ist ein wichtiger Bonus für den Turnus in NÖ.“ Ass. Dr. Elke Maurer, Turnusärzte-Vertreterin LK Waidhofen/Thaya

„Turnusärzte im Tumorboard lernen lassen.“ Prim. Dr. Peter Preis, Innere Medizin mit Palliativmedizin, Onkologie und Herzüberwachung, LK Waidhofen/Thaya

„Gute Arbeit leisten, um genug Turnusärzte in die Peripherie zu bringen.“ Mag. Dr. Klaus Schuster, MSc, MBA, Regionalmanager Mostviertel

„Enge Bindung zwischen jungen Menschen und Kliniken aufbauen.“ LH-Stv. Mag. Wolfgang Sobotka „Bildungsregelung des Landes NÖ nutzen.“

Kristina Starkl, Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Personalangelegenheiten B, Recruiting & interne Personalentwicklung

Plädoyer für eine intensive Schüler-Lehrer-Beziehung: Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger, Dermatologie LK Wiener Neustadt
Sogar im Landesklinikum St. Pölten ist am Tag der Diskussion „Im Dialog“ zum Thema Ärztenachwuchs ein Turnusplatz frei, und wer bereit ist, ins Waldviertel zu fahren, kann fast immer am nächsten Tag mit dem Turnus anfangen: Zwölf Plätze sind im Norden Niederösterreichs derzeit zu vergeben, aber auch je zwei in der Thermenregion und im Weinviertel und je sieben in den Regionen Mostviertel und NÖ Mitte. Auf einen Turnusplatz warten ist, solange man sich nicht ein ganz bestimmtes Haus in den Kopf gesetzt hat, Geschichte. Nur wer unbedingt in Wien oder Graz den Turnus machen will, muss etwa ein Jahr auf einen Platz warten. Was für Medizinstudenten gute Aussichten sind, ist ein Warnsignal für die NÖ Landeskliniken- Holding, die ja die Ärzte für morgen braucht – Ärzte, die sich nach dem Studium für eine Ausbildung in NÖ und zum Bleiben entscheiden. Das Land NÖ und die NÖ Landeskliniken-Holding besuchen deshalb regelmäßig diverse Jugendlichen- und Studenten-Infoveranstaltungen, um den Nachwuchs für morgen zu sichern und die NÖ Landeskliniken als Arbeitsplatz zu präsentieren und zu bewerben (siehe Info-Boxen). Und sie pflegen intensive Kontakte zu den Medizin- Universitäten in Wien und Graz, um die fertigen Medizin-Absolventen zu erreichen. Jüngster Erfolg: Land und Holding sind am 5. Juli beim von der Med Uni Wien organisierten und beworbenen Infotag dabei und präsentieren sich als Arbeitgeber. Waren auf den Infomessen für Medizinstudenten noch vor wenigen Jahren ausschließlich deutsche Kliniken auf Ärztefang, hat sich das Team aus NÖ dort als erster österreichischer Träger seinen Platz erkämpft – und ist auf reges Interesse gestoßen. „Mittlerweile kann es sich kein heimischer Träger leisten, da nicht dabei zu sein“, weiß Dr. Elisabeth Pauly, Abteilung Medizinische und Pflegerische Betriebsunterstützung in der NÖ Landeskliniken-Holding. Und sie plädiert dafür, offensiv Famulatur-Plätze für Medizinstudenten anzubieten.
Was brauchen Turnusärzte?
Ass. Dr. Elke Maurer ist Turnusärzte-Vertreterin und arbeitet im LK Waidhofen/Thaya – einem Haus, das es ob seiner Lage an der Grenze zu Tschechien, eineinhalb Autostunden vom Zentrum Wiens entfernt, besonders schwer hat, Nachwuchs an Land zu ziehen. Sie nennt als gutes Rezept, die jungen Ärzte intensiv zu schulen: „Zum Beispiel die Blutabnahme – das müssen sie schon bei der Famulatur lernen. Und auch wenn das bei uns oft die Schwestern machen, um die Ärzte zu entlasten – unsere jungen Ärzte müssen es immer wieder üben, auch bei Krebs-Patienten und alten Menschen.“ Gerade kleine Häuser wie ihr Klinikum seien ideal für den Turnus: „Wir lassen neue Turnusärzte gern auf der Internen beginnen, damit sie das grundlegende Handwerkszeug lernen, und kontrollieren auch regelmäßig, ob sie es können. Das ist sehr wichtig.“ Eine hohe Ausbildungsqualität muss nach dem Motto „learning by doing“gewährleistet werden, um die Attraktivität abgelegener Standorte zu verbessern. Die enge Zusammenarbeit innerhalb der Abteilungen (z. B. Chirurgie/Interne) garantiert, dass Jungärzte rasch in ihrem Handeln sicher werden und vielfältig einsetzbar sind. Durch Umstrukturierungsmaßnahmen wurden Routinetätigkeiten und Bürokratien aus dem Aufgabenbereich der Turnusärzte genommen, so wird seit einigen Monaten kein Jungarzt als „Spritzendienst“ abgestellt. Schwierig sei für die Jungmediziner oft die Distanz: Gibt es eine Wohnmöglichkeit? Wie machen sie das mit der Hauptmeldung, damit sie die Pendlerpauschale nicht verlieren? Banal klingende Fragen, die für den Einzelnen ausschlaggebend für eine Entscheidung sein können.
Lern-Chancen anbieten
Mag. Dr. Klaus Schuster, MSc, MBA, Regionalmanager im Mostviertel, kümmert sich um Literaturservice und medizinische Datenbanken, auf die alle Mitarbeiter zugreifen können, die aber besonders für Jungärzte unverzichtbare Quellen sind, wenn sie zum Beispiel Fälle aufbereiten müssen. So haben alle Landeskliniken Zugriff auf die Guidelines und auf die Datenquelle „up to date“ (Diagnose- und Behandlungsstandards auf dem neuesten Stand des Wissens). Die Cochrane Library mit ihren Metaanalysen wissenschaftlicher Arbeiten ist für alle Ärzte freigeschaltet. Auch Turnusärzte können übrigens den Service des Informationszentrums des Departments für Evidenzbasierte Medizin an der Donau-Universität Krems für spezielle Fragen und Literaturrecherchen nutzen. Schuster verhandelt derzeit gemeinsam mit anderen Trägern über zwei weitere Tools: Med Line Fulltext und Clinical key, zwei auch von Spitzenmedizinern als unglaublich wichtig eingestufte Werkzeuge. Schuster: „Wir probieren derzeit einiges aus, zum Beispiel auch ein virtuelles Krankenhaus, wo man ganze Fälle durchspielen kann und dabei lernen, welche Diagnosemaßnahmen und Therapien sinnvoll, sinnlos oder gar schädlich sind. Da bekommt man direkt Feedback, das Bewusstsein wird geschärft.“
Superchance Tumorboard
Nicht nur Online-Tools bieten hervorragende Lernmöglichkeiten, auch das Tumorboard ist eine große Chance, berichtet Prim. Dr. Peter Preis, Abteilung Innere Medizin mit Palliativmedizin, Onkologie und Herzüberwachung im LK Waidhofen/Thaya: „Bei uns sind zum Tumorboard alle Turnusärzte eingeladen: Dabei wird nach einem vorgegebenen Schema Fall für Fall behandelt. Unsere Turnusärzte lernen so, wie man einen Fall präsentiert und nach welchen Kriterien man vorgeht. Da profitiert jeder massiv!“ Auch auf den anderen Stationen in Waidhofen/ Thaya würden alle Möglichkeiten zur Wissensweitergabe genutzt, berichtet der Internist: Auf der Onkologie werden jeden Morgen noch vor der Visite gemeinsam mit den Schwestern alle Krankengeschichten durchgesprochen. Das brauche anfangs Zeit, aber die Qualität sei sowohl für die Patienten als auch für Ärzte und Pflege wesentlich besser und „alle Berufsgruppen lernen voneinander – das ist sozial ungeheuer wichtig“. Preis legt großen Wert darauf, dass Turnusärzte wirklich üben, plädiert aber auch dafür, ihren Aufgabenkatalog beherzt zu entrümpeln.
Enge Bindung an die NÖ Landeskliniken
Für den Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka ist es wichtig, junge Menschen an die Landeskliniken zu binden: „Dass wir jetzt an den AHS und BHS ansetzen, ist notwendig, um mehr Interesse am Arztberuf zu schaffen.“ Er hält es für sehr wichtig, die Famulanten besonders in die peripheren Häuser zu holen und gut zu unterstützen. Auch die finanzielle Unterstützung für die Aufnahmeprüfungen zum Medizinstudium sei sehr wichtig. „Ganz wesentlich ist das Klima in den Häusern und Abteilungen. Die jungen Ärzte müssen Wertschätzung spüren. Und auch, dass die Arbeitsteilung zwischen Ärzten und Pflege gelebt wird. Es ist eine Führungsaufgabe, darauf zu achten, dass sich Turnusärzte nicht allein in der Ambulanz und auf der Station durchwursteln müssen. Wo Wertschätzung ist, ist auch der Druck nicht so groß.“ Und außerdem müsse man die Rotation zwischen den Kliniken oder zumindest den Standorten fördern: „Wer zum Beispiel in St. Pölten den Turnus macht, kommt um Lilienfeld nicht herum. Es ist wichtig, dass Turnusärzte kleine Häuser als Chance und Herausforderung begreifen.“ Die Rotation innerhalb der Regionen sieht Turnusärzte-Vertreterin Maurer als gutes Lockmittel, um zu zeigen, dass man gut ausgebildet wird: Im Waldviertel laufe das System schon sehr gut, seit vier Monaten sei mit Horn der letzte Standort für die Rotation an die Kinderabteilung in Zwettl dabei. So könne jeder die Zeit für die Kinder-Ausbildung zwischen Abteilung und Konsiliar-Betreuung teilen. Andererseits sei Waidhofen wegen der Psychiatrie und Urologie ein gefragter Turnus-Tauschpartner.
Weiterbildungschancen mehr nutzen
Kristina Starkl, im Amt der NÖ Landesregierung in der Abteilung Personalangelegenheiten B, zuständig für Recruiting & interne Personalentwicklung, kümmert sich bei Messen und Infotagen um die Präsentation des Landes und der 27 Klinikstandorte als Arbeitgeber. Wichtig ist ihr neben der umfassenden Information und der oft nötigen Aufklärung über die vielen Möglichkeiten in NÖ zu betonen, dass auch Turnusärzte die Chance auf Ausbildung aus der Ärzte-Ausbildungsmillion der NÖ Landeskliniken-Holding nutzen können und dass das Land NÖ noch immer der einzige Träger ist, der seine Mitarbeiter für 15 Bildungs-Tage pro Jahr freistelle. „Und was an Seminaren für die Ausbildung relevant ist, muss man nicht zurückzahlen, wenn man die NÖ Landeskliniken verlässt.“
Lustkiller Arztbriefe schreiben?
Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger, Dermatologie LK Wiener Neustadt, bietet den 2. Derma- Workshop im Herbst für Turnusärzte an, als Ergänzung der Ausbildung zu besonders relevanten Themen der allgemeinmedizinischen Praxis. Er wünscht sich, bereits erfahrene Jungmediziner nach der Famulatur zum Ferialjob als Helfer im OP einzuladen, als sogenannte Operationsassistenten: „Dabei können Klinikum und Jungarzt einander kennenlernen und haben eine Chance, Bindung aufzubauen – und die Turnusärzte werden entlastet, weil sie nicht so oft bei den gleichen OPs assistieren müssen.“ Er möchte das Thema Arztbriefeschreiben als Angelegenheit der Turnusärzte differenziert sehen: „Wenn Turnusärzte dabei den gesamten Verlauf einer Erkrankung erfassen und zusammenfassen müssen, lernen sie was dabei, das ist dann wirklich Ausbildung.“ Und Müllegger, der an seiner Dermatologie zwölf Stamm- und vier Turnusärzte hat, plädiert für einen genauen Blick auf die Schüler-Lehrer-Beziehung, die er sich für den Nachwuchs wünscht: „Es ist anstrengend, einen Jungmediziner zu führen, ihm kleine Aufträge zu geben und die dann abzufragen – aber nur so fliegt der Ball hin und her, und Schüler und Lehrer haben Freude daran. Für mich ist das Weitergeben von Wissen eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.“
Neue Chancen mit neuer Studienordnung
Welche Chancen und Probleme beim Anwerben von Jungärzten die Veränderungen im Ausbildungssystem bringen, wird in der Runde heiß diskutiert, noch sind viele Fragen offen – auch über die Zukunft der praktischen Ärzte und ihrer Ausbildung. Regionalmanager Schuster betont, es sei für die Landeskliniken-Holding enorm wichtig, das ab 2014/15 gültige klinisch-praktische Jahr an möglichst vielen Standorten anbieten zu können. Dieses klinisch-praktische Jahr ist ein Teil des Studiums im letzten Studienjahr, den man aber an einem bei der Med Uni akkreditierten Lehrspital/Lehrabteilung wird absolvieren können. Wie Holding-Expertin Pauly erklärt, ersetzt es nicht den bisherigen dreijährigen Turnus, sondern deckt gemeinsam mit der postpromotionellen neunmonatigen Basisausbildung, die derzeit in der Ausbildungskommission des Bundesministeriums in der Konzeptionsphase ist, Teile des bisherigen Turnus ab. Pauly betont, es sei nicht nötig, dass sich dafür jeweils ein ganzes Landesklinikum akkreditiert, das könnten auch einzelne Abteilungen tun, denn immerhin müsse man das wollen; die Studienabsolventen zu betreuen sei eine Menge Arbeit. Und Schuster ergänzt, es gehe nun darum, möglichst gute Konzepte bis zum Starttermin zusammenzutragen, „und auch Goodies. Wir haben die Famulanten als Wert in die Balanced Scorecard aufgenommen – sie schauen sich das Haus und die Fächer an und wenn sie sich wohlfühlen, wenn wir alle gute Arbeit leisten, wenn es uns gelingt, sie auch in die Krankenhäuser in der Peripherie zu bringen, dann werden wir auch in Zukunft ausreichend gut qualifizierte, motivierte Jungärzte haben.“ Riki Ritter-Börner
Was all es geschieht – einige von vielen Ideen
- Die Holding arbeitet an einem Turnusärzte-Barometer, das nach dem Ampelsystem auf der Holding-Homepage anzeigt, wie rasch man im jeweiligen Klinikum einen Turnusplatz bekommt.
- Workshops als Teil der Ausbildung: Interim. Ärztl. Dir. Prim. Dr. Heinz Jünger, HNO Krems, veranstaltet im Oktober den ersten HNO-Workshop für Turnusärzte. Bereits im April lief der erste Derma-Workshop für Turnusärzte im LK St. Pölten, im Oktober 2012 folgt der zweite Derma-Workshop im LK Wiener Neustadt.
- Das Mostviertel organisiert regelmäßige Turnusärztestammtische mit dem Regionalmanagement.
- Das LK Mistelbach bietet eine Eingangsphase für Turnusärzte an: An den ersten vier Tagen des Monats bekommen neue Turnusärzte eine Einführung ins Haus, es gibt ein Willkommen mit Ärztlichem Direktor und Ärztevertreter sowie einen Besuch bei der EDV samt Schulung und das gemeinsame Besichtigen auf verschiedenen Stationen und Abteilungen.
- Interessentag für angehende Turnusärzte am 9. Juli, 14:00 Uhr, in der NÖ Landeskliniken-Holding
- Uni Graz, 24. September: Tag der Studierenden





