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Ärztinnen & Ärzte braucht das Land

Genug medizinisches Personal für die Kliniken zu werben ist eines der wichtigsten Ziele für Niederösterreich. Ohne politischen Druck wird es nicht gehen. Lesen Sie, was schon läuft und welche zusätzlichen Ideen es gibt.


foto: Philipp Monihart

Österreich ist zwar laut der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD) das Land mit den zweitmeisten Ärzten. Doch gerade am Land bleiben immer mehr Kassenplanstellen unbesetzt, was die Bevölkerung zwingt, in die NÖ Kliniken zu drängen. So berichtet Dr. Andreas Krauter, MBA, Regionalmanager im Mostviertel, dass die Menschen in Gresten verzweifelt sind, weil es keinen Hausarzt für sie gibt und ihnen nur der Weg ins LK Scheibbs bleibt – wo sie nicht sein sollten. Die Situation spitzt sich zu, sind sich die Teilnehmenden am „Im Dialog“ einig. Pro Jahr brauchen die NÖ Kliniken rund 220 Turnusärztinnen und -ärzte.

Studienplätze für Medizin

Bereits am 18. Juni 2014 richtete der NÖ Landtag eine Resolution an die Bundesregierung, mehr Studienplätze für Medizin bereitzustellen und das Aufnahmeverfahren neu zu regeln – allerdings ohne Erfolg. Die Gründung der Karl Landsteiner Privat­universität für Gesundheitswissenschaften in Krems (KL) ist ein Beitrag des Landes (siehe „Was bereits läuft“ auf Seite 08). Doch die KL liefert nur den „Tropfen auf den heißen Stein“, weiß Landesrat Mag. Karl Wilfing: „Wir werden über kurz oder lang mehr Ärzte ausbilden müssen. Die KL wird nicht reichen, der Bund wird sein System der Studienplatz-Begrenzung öffnen müssen.“

Mehr Förderungen

Dr. Markus Klamminger, stellvertretender Medizinischer Geschäftsführer und Leiter der Abteilung Medizinische Betriebsunterstützung, wünscht sich mehr Förderungen für Studierende der KL: „Wir sollten uns was einfallen lassen – zum Beispiel Kredite, wenn sie sich verpflichten, für eine Zeit in unseren Kliniken zu bleiben. Etwa 80 Prozent der Studierenden sind aus NÖ, ich glaube, dass wir den Großteil von ihnen im Land halten können.“
Land NÖ und Holding werben regelmäßig auf Jobmessen um Jungärzte. Mag. Andreas Achatz, Leiter der zuständigen Personal-Abteilung des Landes NÖ, wirbt künftig gemeinsam mit anderen Trägern Jahr für Jahr bei eigens organisierten Jobmessen an den drei öffentlichen Medizinuni-Standorten in Wien, Graz und Innsbruck.

Führungskräfte entscheidend

Wesentlich für die Entscheidung junger Ärztinnen und Ärzte, an eine der heimischen Kliniken zu gehen, sei die Qualität der Führungskräfte, weiß Dr. Thomas Gamsjäger, MSc, Ärztlicher Direktor im Uniklinikum St. Pölten. Abteilungsleiter müssen heute wesentlich höhere Anforderungen erfüllen: „Neben besten fachlichen Qualifikationen brauchen sie die Fähigkeit zur Führung des Teams – und diese Kombination gilt es intensiv zu fördern.“ Gamsjäger fordert eine Änderung der Führungskultur ein. In die gleiche Kerbe schlägt auch Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Lechner, Ärztlicher Direktor im Uniklinikum Tulln: „Wo die Wertschätzung fehlt, werden wir nicht gewinnen.“ Und er weiß als eines der Mitglieder im KL-Expertenrat, dass das Unterrichten der Jungärzte in vielen Abteilungen noch nicht den nötigen Stellenwert hat. Da müsse jede Abteilung einen eigenen Weg finden: „Nicht jeder Lehrer ist ein guter Arzt und umgekehrt. Wir brauchen in den Abteilungen Verantwortliche für die Lehre.“ Lechner schlägt vor, pensionierte Spitzen­mediziner zur Unterstützung der Abteilungen in Sachen Lehre zu gewinnen, ihnen zum Beispiel eine Teilzeit-Stelle dafür zu geben: „Wir brauchen ‚Teaching-Manager‘, die die Ausbildung der Studierenden im Blick behalten.“

Dass die „Generation Y“ der heutigen Medizin-Absolventen andere Prioritäten hat als die der heute 50-jährigen Ärzte, die sich in der Zeit der Medizinerschwemme durchkämpfen musste, macht die Sache nicht leichter für die Kliniken. Regionalmanager Krauter plädiert, sich am europäischen Markt zu orientieren und entsprechende Modelle für die Generation Y zu entwickeln.
Medizin-Abteilungsleiter Markus Klamminger ergänzt: „Wir sollten mehr über Aufstiegschancen reden – wir haben 240 Abteilungen und Institute an den Kliniken, die irgendwann neu besetzt werden müssen.“ Wichtig finden es die „Im Dialog“-Teilnehmenden, die Möglichkeiten zur Entlastung der Ärztinnen und Ärzte durch die Pflege intensiv zu nutzen. Derzeit laufen dazu verschiedene Pilotprojekte, GESUND&LEBEN INTERN berichtet laufend (in der kommenden Ausgabe zum Beispiel über die Servicekräfte im Landesklinikum Waidhofen/Ybbs). Ein wesentlicher Punkt, glaubt Landesrat Wilfing, wird die Frage der Kultur zwischen den Berufsgruppen, „da geht es darum, die Aufgaben besser zu verteilen. Hier sind wir auf einem guten Weg, aber noch lange nicht fertig.“

Dr. Markus Klamminger, stv. Medizinischer Geschäftsführer und Leiter der Abteilung Medizinische Betriebsunterstützung: „Wir begleiten die Medizin-Studierenden und vermitteln Praktika. Das Werben um Studierende im Klinisch-Praktischen Jahr ist für mich das Wichtigste: Werden sie im Klinikum gut integriert, werden sie wahrscheinlich bleiben. Durch unsere Größe und Diversität können wir jedem Wunsch entsprechen – nach möglichst breit gestreuter Ausbildung ebenso wie nach hoher Spezialisierung.“

Landesrat Mag. Karl Wilfing: „Wir werden über kurz oder lang mehr Ärzte ausbilden müssen, um die medizinische Qualität an unseren Standorten erhalten zu können. Der Bund wird sein System der Studienplatz-Begrenzung öffnen müssen. Wir werden daran gemessen werden, wie wir Lehre und Ausbildung in unseren Kliniken anbieten – wir müssen als die Besten gelten.“

Mag. Andreas Achatz, Leiter Personal-Abteilung LAD2-B des Landes NÖ: „Wir wissen, dass den jungen Kolleginnen und Kollegen die Ausbildung sehr wichtig ist – aber auch Führungsverhalten, Betriebsklima und Aufstiegschancen. Thema Geld: Vor vier Jahren war Niederösterreich mit der Neuregelung Spitzenreiter bei den Ärztegehältern. Derzeit laufen die Verhandlungen mit den Sozialpartnern, und sie laufen gut. Den Abschluss erwarte ich heuer; auch für die Primarärzte gibt es eine Neuregelung.“

Dr. Andreas Krauter, MBA, Regionalmanager Mostviertel: „Wir müssen unseren Ärzten klarmachen, dass die Ausbildung des Nachwuchses genauso wichtig ist wie das Behandeln der Patienten. Unseren gut ausgebildeten Fachärzten muss die umfassende Bildung der Jungärzte ein Anliegen sein. Gerade in der Peripherie können junge Menschen die Fülle der Medizin kennenlernen und schnell Verantwortung in den Ambulanzen, im Nachtdienst, im OP übernehmen.“

Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Lechner, MAS, Ärztlicher Direktor Uniklinikum Tulln: „19 Kassenplanstellen sind in NÖ nicht besetzt (Stand April 2016) – das drängt die Menschen in die Kliniken. Doch solange es keine Finanzierung des Gesundheitssystems aus einer Hand gibt, wird sich das wohl nicht ändern. Was wir brauchen würden, wären zum Beispiel ehemalige Primar- oder Oberärzte, die in der Pension noch was tun wollen und sich als Teilzeitkräfte um die Ausbildung der Jungärzte kümmern, darauf achten, dass alle ausreichend ausgebildet werden.“

Dr. Thomas Gamsjäger, MSc, Ärztlicher Direktor Uniklinikum St. Pölten: „Unsere jungen Ärzte müssen sicher sein können, dass sie wirklich gut ausgebildet werden. Entscheidend dafür ist die Qualität der Führungskräfte. Die Anforderungen sind sehr hoch. Viel in Richtung Führungskultur ist schon geschehen. Aber wir müssen die Kultur des Handelns ändern:
In erster Linie geht es um das Beste für die Patienten, gleich danach um eine gelebte Orientierung an den Mitarbeitern.

Was bereits läuft

Land NÖ und NÖ Landeskliniken-Holding unternehmen zahlreiche Anstrengungen, um die Versorgung mit Ärztinnen und Ärzten sicherzustellen.

Das Klinisch-Praktische Jahr in den NÖ Kliniken

Ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung des Ärzte-Nachwuchses ist das Engagement für das Klinisch-Praktische Jahr (KPJ): Im sechsten Studienjahr sollen die Studierenden die erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und ärztlichen Haltungen im Routine­betrieb der Spitäler vertiefen und sich professionelles Handeln als Ärztin oder Arzt aneignen sowie ihre Kompetenzen im problemorientierten Denken und evidenzbasierten Handeln erweitern. Damit erwerben sie sich unter Anleitung erfahrener Ärzte die Befähigung zur postpromotionellen Aus- und Weiterbildung.
Die NÖ Lehrspitäler stellen den Studierenden Verpflegung und Dienstkleidung zur Verfügung, Sozialräume und Dienstzimmer, EDV-Infrastruktur und Zugang zur Fachliteratur. Und sie garantieren die strukturierten und standardisierten Überprüfungen des Lernerfolges und ihre Dokumentation im Logbuch der Studierenden. Zusätzlich erhalten die Studierenden eine Aufwandsentschädigung von 650 Euro pro Monat.

Gesundheitswissenschaften an der Karl Landsteiner Privatuniversität

Die nach dem Entdecker der Blutgruppen und Medizin-Nobelpreisträger Karl Landsteiner (1868–1943) benannte Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften am Campus Krems (KL) bietet unter anderem Bologna-konform Humanmedizin, Psychotherapie und Beratungswissenschaften an. Gleichzeitig kümmert sich die KL auch intensiv um das Thema Forschung. Das praxisbezogene Medizinstudium stützt sich dabei nach drei Jahren überwiegend theoretischer Ausbildung am Campus Krems auf die dreijährige praktische Ausbildung an den NÖ Universitäts­kliniken St. Pölten, Krems und Tulln.
Zahlreiche weitere Bausteine

  • „NÖ studiert Medizin“ soll Maturanten von der Attraktivität des Arztberufes in Niederösterreich überzeugen. Dafür gibt es spezielle Informationsschreiben und -veranstaltungen.
  • Jahr für Jahr organisieren Land NÖ und NÖ Landeskliniken-Holding einen Vorbereitungskurs für den Aufnahmetest zum Studium der Humanmedizin und fördern diesen und zahlreiche andere Kurse.
  • Alle Turnusärzte können den Service des Informationszentrums des Departments für Evidenzbasierte Medizin an der Donau-Universität Krems für spezielle Literaturrecherchen nutzen. Zusätzlich steht eine Online-Bibliothek mit zahlreichen Journalen und wissenschaftlichen Datenbanken kostenlos zur Verfügung.
  • Das breit gefächerte Bldungsprogramm der NÖ Landeskliniken-Holding bietet vielfältige Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen.
  • Auch Turnusärzte haben die Chance auf Kostenersatz für Fortbildungen aus der jährlichen Ausbildungs-Million des Landes NÖ. Sie werden für bis zu 15 Bildungstage pro Jahr vom Dienst freigestellt.
  • Durch Rotation der Turnusärzte innerhalb der fünf Versorgungsregionen ist eine umfassende Ausbildung gesichert.
  • Schrittweise führen die NÖ Klinikstandorte das Projekt „Ausbildungszimmer“ ein, damit Turnusärzte selbstständig unter Supervision von Fachärzten eigene Fälle führen.

Informationen: www.lknoe.at, www.kl.ac.at, www.noe-studiert-medizin.at, www.noel.gv.at/Politik-Verwaltung/Jobs/Bewerbungsinformationen/Bewerbungsinformation_Aerztinnen_Aerzte_in_den_NOE_Kliniken.html