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Der Start ist gelungen

In den beiden Logistikzentren in St. Pölten und Wiener Neustadt ist die Apothekenversorgung angelaufen – mit der stationsweisen Belieferung der Kliniken mit Medikamenten sowie mit der Medikamentenproduktion auf Industrie-Niveau.


PKA-Lehrling Saskia Kummer bei der Kommissionierung

PKA Tamara Scharl am Isolator (Zytostatika­aufbereitung). Fotos: Franz Baldauf, UK St. Pölten

Was wäre ein Klinikum ohne die sichere und verlässliche Versorgung mit Medikamenten? Was könnte ein Notarzt ausrichten, wenn er nicht all die wichtigen Substanzen zur Verfügung hätte? Dass den medizinischen und pflegerischen Experten alle pharmazeutischen Produkte in entsprechender Qualität und Menge zur Verfügung stehen, darum kümmern sich die Krankenhaus-Apotheken. Doch auch vor diesen altehrwürdigen Institutionen machen Entwicklungen nicht halt: Im Zuge der zahlreichen Neubauten vor allem in der Thermenregion entschied die NÖ Landeskliniken-Holding bald nach ihrer Gründung, dass es sinnvoll ist, sich nicht mehr in jedem Klinikum teure Lagerräume für Verbrauchsgüter und Medikamente auf Krankenhaus-Level zu leisten. Und dass es auch für die Kliniken besser ist, sie nicht von sämtlichen Lieferanten einzeln anfahren zu lassen. Seither sind die beiden Logistikzentren in St. Pölten und Wiener Neustadt entstanden und in Betrieb gegangen. Sukzessive übernehmen sie ihre Aufgaben in den drei Bereichen Materialwirtschaft (Warenbelieferung), AEMP (Aufbereitungseinheit Medizinprodukte) – hier werden Instrumente gereinigt, desinfiziert, verpackt und sterilisiert – sowie Apotheke.
Auch die beiden erfahrenen Apotheken-Chefinnen der Kliniken in Wiener Neustadt und St. Pölten sind nun mit ihren Teams in den neuen Logistikzentren stationiert und dirigieren von hier aus die Versorgung von zunehmend mehr Stationen und Kliniken: Mag. Hermine Binder arbeitet mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Logistikzentrum am Gelände des Universitäts­klinikums St. Pölten, Mag.
Gabriele Schrammel mit den ihren im Logistikzentrum in der Civitas Nova in Wiener Neustadt, wo künftig auch der Neubau des Landesklinikums hinkommen soll. Die beiden Pharmazeutinnen sind auch Lead Buyer, kümmern sich also in Absprache mit der Abteilung Einkauf und den Ärzten um die Entscheidungen, welche Medikamente die Kliniken brauchen und kaufen.

Ausgeklügelte Logistik

Medikamente sind heikle Produkte: So muss für ihre Lagerung und ihren Transport sichergestellt sein, dass sie im Temperaturbereich zwischen 15 und 25 Grad bleiben. Manche besonders temperaturempfindlichen Arzneimittel müssen auch ohne Unterbrechung der Kühlkette zwischen zwei und acht Grad gelagert und transportiert werden, und einige wenige Produkte dauerhaft bei minus 21 Grad tiefgekühlt werden. Dass dies so ist, muss laufend dokumentiert werden. Andererseits haben es Apotheken mit „Sucht­giften“ wie hoch wirksamen Morphinen zur Schmerz­bekämpfung zu tun, die keinesfalls in falsche Hände geraten dürfen und deshalb einem hochkomplexen Sicherungssystem unterliegen.
Um all diesen Ansprüchen gerecht zu werden, müssen sowohl die Apotheken in den Logistikzentren selbst als auch die Belieferung der einzelnen Stationen in den Kundenkliniken zahlreichen Ansprüchen genügen. Und natürlich muss auch Bestellung, Container-Befüllung, Container-Freigabe sowie -Empfang elektronisch unterstützt ablaufen, damit alle wirtschaftlich relevanten Daten jederzeit abrufbar sind. Mittlerweile funktioniert dies in beiden Zentren. „Das EDV-System ist sehr komplex, man muss richtig viel lernen, um damit umgehen zu können. Aber es bietet tolle Möglichkeiten und sichert uns eine sehr gute Dokumentation. Die ‚Kinderkrankheiten‘ sind weitestgehend bewältigt“, sagen die Apotheken-Leiterinnen.

Produktions-Apotheken

Das Apothekenrecht macht zahlreiche Vorgaben und die Hygiene-Vorschriften sind enorm. Das betrifft besonders den zweiten Bereich, den die beiden Apotheken leisten: Die Produktion von Medikamenten – von Augentropfen und Mitteln zur Wunddesinfektion, von Zäpfchen und Kapseln, von Cremen bis zu patientenindividuellen Chemotherapien. All dies haben die beiden bisher als Klinik-Apotheken natürlich auch gemacht. Da sie aber jetzt in großem Stil für mehrere Kliniken produzieren, müssen sie die gleichen Standards erfüllen wie die Pharma-Industrie. In der Produktion gibt es ein komplexes Reinraumsystem mit Material- und Personenschleusen, die abgestufte Lüftungs- und Druckverhältnisse aufweisen – sehr aufwendig, aber notwendig, um sterile Produkte herstellen zu können. Die Aufgaben in diesem Bereich werden sich noch deutlich erhöhen, da sich auch ganz neue Möglichkeiten auftun; die komplette Umstellung, um alle Ressourcen optimal zu nutzen, schätzen die beiden Expertinnen auf etwa zwei Jahre ab Aufschaltung des letzten Klinikums.
„Das ist ein Paradigmenwechsel“, sind sich die beiden Apothekenleiterinnen einig. „Uns ist es wichtig, dass wir alle Auflagen erfüllen und gleichzeitig genau auf die Bedürfnisse der Stationen eingehen.“ Neben den laufenden Vorbereitungsarbeiten und den Übersiedlungen der Apotheken in die jeweiligen Neubauten mussten die Mitarbeiter auf die neuen Produktionsstandards eingeschult werden. Schon allein das Einkleiden für die Reinräume ist etwas, was man erst einmal lernen und üben muss, damit man die Industrie-Standards hundertprozentig erfüllt.

Ein langer Weg

Bis zur funktionierenden Logistik- und Produktionsapotheke der zwei Logistikzentren war es ein langer Prozess, der bereits Ende 2010 begann und den Apotheken-Teams viel abverlangte. Prozesse, Abläufe und Ausstattung haben die beiden Apotheken-Chefinnen Binder und Schrammel samt Teams vor allem mit den jeweiligen Planern und Bauprojektleitungen für die Logistikzentren erarbeitet, haben sich ausgetauscht und zahlreiche Lösungen finden müssen.
Sie hatten dafür keine Vorbilder, keine anderen Projekte, bei denen sie sich Know-how holen konnten: „Ein vergleichbares Logistikzentrum mit Apotheke und Materialwirtschaft gibt es nirgends. Wir haben in Hamburg eine Apotheke besichtigt, die elf Kliniken in Norddeutschland aus einer Zentrale versorgt, dort ging es aber nur um  Apothekenartikel ohne Materialwirtschaft. Aber damals war ich mir sicher: Wir werden es schaffen“, berichtet Schrammel.
Während Schrammel ein Jahr lang zwischen der Anstaltsapotheke in Wiener Neustadt und dem Logistikzentrum gependelt ist – und ebenso ihre Mitarbeiterinnen – musste Binder mit ihrem Team innerhalb weniger Wochen den gesamten Umzug samt Aufnahme der Produktion bewältigen, „denn da haben schon die Bagger gewartet, um Platz für Haus C zu schaffen“.

Enormer Aufwand

In den Logistikzentren werden Container exakt mit dem befüllt, was die einzelnen Stationen brauchen. Was so einfach klingt, erfordert einen enormen Aufwand. So müssen in die Transportcontainer Materialwirtschafts- und Apothekenboxen sowie nicht containerfähige Kartons integriert werden. Da auch Flüssigkeiten und andere heikle Güter transportiert werden, müssen die Boxen für den Transport entsprechend gut gesichert werden.
Auch Gefahrengüter (z. B. leicht Entzünd­liches) können sich in diesen Transporten befinden, daher müssen die dafür geltenden Bestimmungen und Vorschriften (z. B. höchst zulässige Mengen und Kennzeichnung) beachtet werden. Die nötigen Mitarbeiter für die Logistikzentren-Apotheken zu bekommen war für die beiden Chefinnen kein Problem, berichten sie. Für die Produktionsapotheke brauchen die beiden jetzt auch auf Analytik spezialisierte Pharmazeutinnen und Pharmazeuten zur Kontrolle der Produktion und Produktionsqualität.
Diese Umstellungen sind nicht für alle Mit­arbeitenden einfach, wissen die beiden Apotheken-Leiterinnen: „Es gibt immer Ängste und Befindlichkeiten, wenn Dinge sich ändern. Auch in den Kunden-Kliniken konnten sich manche nicht vorstellen, wie das alles funktionieren wird.“ Doch vieles löst sich im Laufe der Zeit, und manchmal gilt es einfach, alle Kräfte zu bündeln und durchzutauchen. „Unsere Teams haben unheimlich viel geleistet und toll mitgezogen, waren kooperativ und geduldig – dafür verdienen sie ein großes Lob“, sind sich Binder und Schrammel einig. „Und es macht ja auch Spaß, an so einem Projekt erfolgreich mitzu­arbeiten und daran zu wachsen.“

Die Apotheke im Logistikzentrum Wiener Neustadt

Ein Jahr lang gab es die Apotheke parallel im LK Wiener Neustadt und im Logistikzentrum. Seit April 2014 versorgt sie das LK Mödling, seit Oktober 2014 Wiener Neustadt aus dem Logistikzentrum und seit März 2015 Neunkirchen. Hochegg folgt heuer im September, Baden und Hainburg 2016.
Das Team: 32 Mitarbeitende, davon 12 Teildienste, zusätzlich 2 Lehrlinge

Die Apotheke im Logistikzentrum St. Pölten

Bedingt durch den engen Raum am Klinik-Areal musste der Umzug innerhalb von zwei Monaten samt Neuaufnahme der Produktionsapotheke komplett abgeschlossen sein. Seit bereits zehn Jahren versorgt sie den Standort Lilienfeld, seit gut drei Monaten das LK Melk, seit Juni das LK Waidhofen/Ybbs. Im Herbst dann auch das LK Scheibbs, mit Jahresende kommt das LK Mauer dazu und Mitte 2016 Amstetten.
Das Team: 32 Mitarbeitende, davon 4 Teildienste