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Neue Rollenverteilung im OP

Gerade in kleinen Spitälern sind Assistenzärzte Mangelware. Im Landesklinikum Lilienfeld assistieren nun an zwei Tagen in der Woche OP-Schwestern bei Operationen. Davon profitieren Ärzte und Patienten.


OA Dr. Gert Bockhorn führt eine Schulterarthroskopie durch, während DGKS Nadja Kerschner und DGKS Martina Feucht ihm assistieren. Foto: Philipp Monihart

Der Patient, ein 43-jähriger Mann, klagte über seit Jahren auftretende chronische Schmerzen in der rechten Schulter. Ein Knochensporn hatte eine Sehne im Schultergelenk so lange geschwächt, bis sie schließlich riss und er den Arm nur mehr eingeschränkt und unter Schmerzen bewegen konnte.
In der Unfallchirurgie des Landesklinikums Lilienfeld wird er nun operiert. Die Arthroskopie wird von Oberarzt Dr. Gert Bockhorn durchgeführt. Er hat sich auf Operationen an der Schulter spezialisiert, gehört zum Team der Unfallchirurgie und Sporttraumatologie des Universitätsklinikums St. Pölten und ist an zwei Tagen pro Woche in Lilienfeld tätig. Ein Standard-Eingriff, wie er häufig vorgenommen wird.
Doch anders als in den meisten anderen niederösterreichischen Kliniken steht neben dem Operateur kein Turnus- oder Assistenzarzt, der ihm bei der Operation assistiert, sondern die 29-jährige OP-Schwester DGKS Nadja Kerschner. Sie und ihre Kolleginnen in Lilienfeld machen seit April dieses Jahres, was sonst nur Ärzten vorbehalten ist: Sie desinfizieren die Eingriffsstellen vor der Operation, achten auf die richtige Lagerung der Patienten oder kümmern sich während des Eingriffes um die Blutstillung.

Weniger Ärztinnen & Ärzte

„Da es wegen der veränderten Ausbildung weniger Turnusärzte gibt, die diese Aufgaben übernehmen können, war im Frühjahr Not am Mann und wir mussten uns etwas überlegen“, erklärt Regina Kern, MBA, MSc. Die
pflegerische Klinikleiterin des LK Lilienfeld hat selbst zehn Jahre lang als Schwester im OP gearbeitet.
„Andere Häuser wie unter anderem Tulln, Neunkirchen oder Waidhofen/Ybbs haben ihr Pflegepersonal ebenfalls schon für solche Tätigkeiten eingesetzt. Wir haben uns beim Bundesministerium und der Rechtsabteilung der
NÖ Landeskliniken-Holding über die Möglichkeiten informiert und dann beschlossen, dass an zwei Tagen in der Woche in unserer Unfallchirurgie das Pflegepersonal Assistenzleistungen übernimmt“, erklärt sie.
Vor der Umsetzung wurde mit dem OP-Team gesprochen. Alle waren einverstanden. Kern erklärt: „Die Pflegepersonen sehen das auch als Aufwertung ihrer Tätigkeit.“ Die NÖ Landeskliniken-Holding hat dafür Stunden von den Dienstposten der Ärzte zugunsten der OP-Pflege zur Verfügung gestellt. Der Schritt war aber alternativlos, wie sie erläutert: „Hätten wir das nicht gemacht, hätten OPs gesperrt oder OP-Zeiten reduziert werden müssen, was wiederum längere Wartezeiten für die Patienten bedeutet hätte.“

Spezielle Ausbildung

Eine gesonderte Ausbildung war dafür nicht notwendig. Alle Pflegepersonen im OP in Lilienfeld, die nun assistieren, hatten die Sonderausbildung in der Pflege im Operationsbereich bereits absolviert und waren deshalb in der Lage, die neuen Tätigkeiten ohne weitere Schulungen durchzuführen. Eine Konkurrenz für die Assistenzärzte sind sie nicht. Diese haben jederzeit die Möglichkeit, bei Operationen, bei denen sie etwas lernen können, einzuspringen. Die Operateure sind von dem neuen Konzept genauso überzeugt wie die Pflege.
„Es ist einfach toll, dass die Schwestern assistieren dürfen, weil sie ständig da sind und wir ein eingespieltes Team sind. Die Turnusärzte sind nach einem halben Jahr wieder weg und man muss sich auf einen neuen Kollegen einstellen. Beim Pflegepersonal ist das nicht so. Das macht die Arbeit einfacher und davon profitiert letztlich auch der Patient“, erklärt Oberarzt Bockhorn.

Neue Herausforderungen

Die Operation an dem 43-Jährigen beginnt. Nachdem der erste kleine Schnitt am Patienten gemacht wurde, wird das Arthroskop ins Schultergelenk geführt. Nadja Kerschner bedient die Kamera, sodass Oberarzt Bockhorn beide Hände frei hat, um die gerissene Sehne zu behandeln. „Mir macht das Assistieren großen Spaß, weil es eine neue Herausforderung ist. Man bekommt einen ganz anderen Blickwinkel auf die Operation, weil man nicht durch andere Tätigkeiten abgelenkt wird“, erklärt Kerschner. Für diese Tätigkeiten ist die Instrumentar-Schwester zuständig: Sie reicht im richtigen Moment die richtigen Werkzeuge weiter.
Die Sicherheit für den Patienten ist dabei stets gegeben. In der eigens verfassten Richtlinie des Landesklinikums Lilienfeld für pflegerische Assistenzleistungen im OP wurde klar festgelegt, dass bei risikoreichen Eingriffen ein Arzt assistieren muss. Auch wurde klar definiert, welche Aufgaben die Pfleger übernehmen dürfen und welche nicht.
Die pflegerische Leiterin Kern erklärt dazu: „Es weiß jeder ganz genau, was er darf und was nicht. Die Spielregeln wurden im Vorfeld festgelegt und seither läuft alles reibungslos.“ Vorerst soll das Projekt für ein Jahr laufen. Im Herbst wird dann diskutiert, ob Bedarf für eine Erweiterung besteht oder nicht.