Der zweite Meilenstein
Mehr Geld für Ärztinnen und Ärzte: Niederösterreich ist mit seinem Gehaltsschema wieder im österreichischen Spitzenfeld vertreten.

Spannender „Im Dialog“ zur Novelle des Spitalsärztegesetzes: (v.l.) Dipl. KH-BW Peter Maschat, Mag. Andreas Achatz, Dr. Ronald Gallob, Landeshauptmann-Stellvertreterin Mag. Johanna Mikl-Leitner, Landesrat Mag. Karl Wilfing, Eduard Böhm, Dr. Robert Griessner, Dipl. KH-BW Helmut Krenn

„Die Novelle ist gerecht und sozial ausgewogen.“ Landeshauptmann-Stellvertreterin Mag. Johanna Mikl-Leitner

„2012 haben wir den Grundstein gelegt.“ Dipl. KH-BW Helmut Krenn, Kaufmännischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding

„Die Politik muss auf neue Herausforderungen reagieren.“ Landesrat Mag. Karl Wilfing

„Wir bieten konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen.“ Dr. Robert Griessner, Medizinischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding

„Man hat uns für Fantasten gehalten. Aber wir haben es zusammengebracht.“ Dipl. KH-BW Peter Maschat, Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der NÖ Landesbediensteten

Mag. Andreas Achatz, Leiter der Abteilung Personalangelegenheiten des Landes NÖ (LAD2-B), ist zufrieden mit dem attraktiven Gehaltsschema.

„Es geht kräftig nach oben.“ Dr. Ronald Gallob, Vizepräsident der NÖ Ärztekammer und Kurienobmann der angestellten Ärzte

Eduard Böhm, Vorsitzender Landesvertretung 9, GÖD Gesundheitsgewerkschaft, wünscht sich auch Nachbesserungen für die anderen Berufssparten.
Vieles ist neu, alle sind zufrieden: Am 22. September 2016 hat der niederösterreichische Landtag die Novelle des Spitalsärztegesetzes beschlossen, am 1. November 2016 tritt sie in Kraft. Ein knappes Jahr haben Vertreter der NÖ Ärztekammer, des Zentralbetriebsrats der Kliniken und der Gewerkschaft mit Vertretern des Landes Niederösterreich verhandelt. Nun liegt die Gehaltsreform für die angestellten Klinik-Ärztinnen und -Ärzte vor, mit der sich alle Seiten glücklich zeigen.
"Gerecht und sozial ausgewogen", fasst Landeshauptmann-Stellvertreterin Mag. Johanna Mikl-Leitner das Ergebnis zusammen: "Wir sind uns der Wichtigkeit unserer Kliniken bewusst - und mit der Novelle sind wir ein noch attraktiverer Arbeitgeber." Zwei der wesentlichen Neuerungen: Erstens wurde das Grundgehalt angehoben. Zweitens: Bisher hatten Turnusärzte, also Ärzte in Ausbildung zum Allgemeinmediziner, ein niedrigeres Gehalt als Assistenzärzte, das heißt Ärzte in Ausbildung zum Facharzt. Dieser Unterschied wurde auch in Hinblick auf die neue Ärzteausbildungsordnung ausgeglichen.
Damit gibt es künftig keine Differenzierung mehr bei der Entlohnung. "Das wertet die Allgemeinmedizin auf", sagt Mikl-Leitner - gerade in einem Flächenland wie Niederösterreich seien niedergelassene Hausärztinnen oder Hausärzte unverzichtbar.
Notwendige Novelle
Warum war die Novelle notwendig? Erst vor vier Jahren hat der NÖ Landtag das Spitalsärztegesetz (SÄG) beschlossen, das Niederösterreich zum Vorzeigeland in Hinblick auf die Besoldung der Ärzteschaft gemacht hat. "Das NÖ SÄG war und ist ein Meilenstein. 2012 haben wir den Grundstein gelegt und neue Maßstäbe bei der Bezahlung von Ärztinnen und Ärzten gesetzt: eine Gehaltsregelung, die auch ohne Überstunden ein attraktives Gehalt sicherstellt. Damals haben wir uns geeinigt, im Dialog zu bleiben, um die Regelung den kontinuierlichen Entwicklungen anzupassen - und genau das wurde mit der Novelle erreicht", sagt Dipl. KH-BW Helmut Krenn, Kaufmännischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding.
Der für die Kliniken zuständige Landesrat Mag. Karl Wilfing bringt es auf den Punkt: "Das SÄG 2012 war ein großer Wurf, den sich andere Bundesländer zum Vorbild genommen haben. Kleine Missverhältnisse im System haben wir mit der Novelle nun ausgeglichen. Ressource muss der Leistung folgen." Auf ständig neue Herausforderungen müsse die Politik nun mal reagieren, denn es zählt zu ihren Aufgaben, die beste medizinische Versorgung sicherzustellen. Wilfing zeigt sich glücklich, dass die Verhandlungen auf Augenhöhe stattgefunden haben und es ein hervorragendes Ergebnis gibt: "Das können wir mit Überzeugung den betroffenen Berufsgruppen gegenüber vertreten."
Konkurrenzfähig
Dass dieser "gute Wurf" gelungen ist, ist nicht selbstverständlich, wenn man sich die Situation bei unseren Nachbarn anschaut: Ärztekammer und Stadt Wien lagen lange im Clinch, ein Ärztestreik wurde in der letzten Sekunde abgewendet. Das zeichne Niederösterreich aus, meint Wilfing: "Auch bei kontroversen Themen haben wir den Dialog gesucht. Schwierig wird es, wenn Kontrahenten nicht mehr miteinander reden können, es keine Gesprächsbasis mehr gibt. Deshalb sollten alle Seiten ehrlich miteinander umgehen. Ich bin mir sicher, dass wir auch in Hinkunft zufriedenstellende Lösungen finden."
Dr. Robert Griessner, der Medizinische Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding, gibt sich bescheiden: "Die Situation in Wien kann nicht mit der in Niederösterreich verglichen werden, da es in den beiden Bundesländern andere Voraussetzungen gibt." Dadurch, dass in Niederösterreich alle Kliniken unter einem Dach sind, gibt es nur einen Verhandler. Das mache es einfacher. "Derzeit bietet die NÖ Landeskliniken-Holding attraktive und im Vergleich mit anderen Bundesländern durchaus konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen", meint Griessner.
Auch in puncto Arbeitszeiten hat Niederösterreich seit Jahren eine attraktive Lösung. Wegen individuell abgeschlossener Betriebsvereinbarungen können Ärztinnen und Ärzte ihre Wochenstundenobergrenze selbst festlegen. Diese individuelle Wahlfreiheit trägt sehr zu einer guten Work-Life-Balance bei. "Dies unterscheidet Niederösterreich ebenfalls positiv von den übrigen Bundesländern", sagt Griessner.
Gute Kooperation
Dr. Ronald Gallob ist Vizepräsident der NÖ Ärztekammer und Kurienobmann der angestellten Ärzte und war im Verhandlungsteam für die SÄG-Novelle: "Ich bin sehr froh, dass wir in Niederösterreich wieder ein sehr gutes und vorzeigbares Gehaltsschema haben. Es geht kräftig nach oben." Damit sollen einerseits Jungärztinnen und -ärzte ins Land geholt werden, andererseits verhindert werden, dass sie abwandern. Mit der Novelle stoße Niederösterreich einen kräftigen Lockruf aus. Gallob muss schmunzeln: "Ich bin in der grotesken Lage am Rande des Lobhudelns, denn das SÄG ist wirklich ein großer Schritt. Aber der Dialog läuft intensiv weiter, um offene Punkte zu klären."
Bei den Verhandlungen war auch diesmal die Kooperation zwischen Ärztekammer, Zentralbetriebsrat und Gewerkschaft einzigartig. Wie zufrieden ist der Zentralbetriebsrat mit dem Verhandlungsergebnis? Oder anders gefragt: Kann ein Zentralbetriebsrat überhaupt zufrieden sein? Dipl. KH-BW Peter Maschat, Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der NÖ Landesbediensteten, lächelt: "Nein, er ist nie zufrieden, in Hinblick auf die Novelle aber schon. Wir haben vor zehn Jahren begonnen, Betriebsvereinbarungen zu machen, um die Ärzte-Arbeitszeit zu reduzieren. Man hat uns für Fantasten gehalten, denn das könne nicht funktionieren. Aber wir haben es zusammengebracht. Überstunden reduzieren, Dienstposten ergänzen - das ist eine einfache Formel." Und im Seitenblick auf Wien ergänzt er: "Das Streichen von Diensten gleichzeitig mit einer Besoldungsreform zu verquicken ist keine gute Lösung."
Wohin können Ärztinnen und Ärzte sich wenden, wenn sie Fragen haben? Vor vier Jahren gab es in den Kliniken Infoveranstaltungen, bei denen das SÄG vorgestellt wurde. Mag. Andreas Achatz, Leiter der Abteilung Personalangelegenheiten des Landes NÖ (LAD2-B), sagt: "Damals waren die Neuerungen gravierender, rund um die Überstundenregelung. Seitdem ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit deutlich gesunken. 2016 erfolgte die Information in erster Linie durch die NÖ Ärztekammer. Es gab eine Pressekonferenz und Schreiben an die Ärztinnen und Ärzte, in denen die Gehaltskurven dargestellt waren. Weitere Informationen erfolgen durch die jeweiligen Personalstellen der Kliniken bzw. kann auch bei den jeweiligen Bearbeiterinnen und Bearbeitern (Bezugsnachweis) angerufen werden." Achatz ist zufrieden mit dem attraktiven Gehaltsschema.
Beständiger Wandel
Wie zufrieden sind eigentlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Novelle? "Speziell die jungen Oberärztinnen und -ärzte waren mit dem Anfangsbezug nicht zufrieden", weiß Eduard Böhm, Vorsitzender der Landesvertretung 9, GÖD Gesundheitsgewerkschaft, "sie sind nun aufgerückt." Es sei aber noch viel Aufklärungsarbeit nötig, meint er: "Es gibt nun mal Vorgaben, an die wir uns halten müssen. Erstens das Budget. Und zweitens muss das Lizitieren aufhören, das ständige Sich-Überbieten-Wollen mit anderen Bundesländern." Böhm hat aber auch die anderen Berufsgruppen genau im Auge, wie etwa Pflege, medizinische Dienste, Verwaltung und Technik: "Wir brauchen alle Sparten, alle sollen zufrieden sein." Hier wünscht er sich genauso wie der Zentralbetriebsrat Nachbesserungen.
Der Kaufmännische Geschäftsführer Krenn sagt: "Die Novellierung ist eine wichtige Maßnahme, um attraktive Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte in den NÖ Kliniken zu bieten. Gleichzeitig gilt es, die Herausforderung der langfristigen Finanzierung unseres hochwertigen Gesundheitssystems zu meistern - und zwar trotz zunehmender Ausgaben durch beispielsweise steigende Behandlungsintensität und steigenden Innovationsdruck in der Medizin und Medizintechnik: Neue Methoden und Produkte sorgen für mehr Möglichkeiten in der Patientenversorgung, gleichzeitig sind sie mit hohen Kosten verbunden." Als Beispiel nennt er die Onkologie: Alleine bei Antineoplastika (Mittel gegen Neoplasmen) waren es 2015 bereits 35,1 Millionen an Ausgaben, während es im Jahr 2011 noch 22,9 Millionen waren. Landesrat Wilfing resümiert: "Der Patient steht im Zentrum aller Bemühungen. Und mit der Novelle stellen wir eine hochwertige Gesundheitsversorgung für die Zukunft sicher."
"Es war sicher nicht die letzte Novelle", sagt Johanna Mikl-Leitner und stellt sich schon auf weitere gemeinsame Runden ein. Alles verändere sich: Medizin, Ärzte, Anforderungen. "Nichts ist beständiger als der Wandel!", fasst sie es treffend zusammen. Diese Weisheit stammt zwar nicht von ihr, sie wird mal dem Griechen Heraklit (ca. 500 v. Christus), mal dem Engländer Charles Darwin (1809-1882) zugeschrieben. Aber sie passt wie die Faust aufs Auge für das Gesundheitswesen.
SÄG-Novelle – Neuerung 1
Ausbildungsärzte
In Anpassung an die Änderungen durch die neue Ärzteausbildungsordnung 2015 wurde eine Entlohnungsgruppe für alle Ausbildungsärzte geschaffen: Die Entlohnungsgruppen A1 (Turnusarzt) und A2 (Assistenzarzt) werden auf eine Entlohnungsgruppe „Ausbildungsarzt“ zusammengeführt. Die derzeitigen Ausbildungsärzte, sowohl nach den Bestimmungen der Ärzteausbildungsordnung 2006 als auch nach der Ärzteausbildungsordnung 2015, werden in das neue Gehaltsschema übergeleitet. Durch die Überleitung wird kein Arzt schlechter gestellt. Zukünftig wird keine Differenzierung bei der Entlohnung von Ausbildungsärzten stattfinden.
Bei der Einstufung in die Entlohnungsgruppe wird von der derzeitigen Vorgehensweise, rasterzeugnisrelevante Zeiten als Vordienstzeiten anzurechnen, abgegangen und auf die Anrechnung facheinschlägiger Ausbildungszeiten abgestellt.
Die Bestimmung, wonach Allgemeinmediziner in öffentlicher Anstellung bei Umstufung in die Entlohnungsgruppe für Assistenzärzte das höhere Entgelt weiterbezahlt bekommen, wird gestrichen. Eine derartige Besserbezahlung kann nur noch per Sondervertrag und unter bestimmten Umständen mit dem Dienstgeber vereinbart werden.
SÄG-Novelle – Neuerung 2
Höheres Gehalt
Die Monatsgehälter für Ausbildungsärzte, Allgemeinmediziner in öffentlicher Anstellung und Oberärzte werden mit 1. November 2016 erhöht. Die Gefahrenzulage wird kostenneutral in das Monatsentgelt eingerechnet. Dadurch ergibt sich künftig ein höherer Grundstundenlohn, der auch für Überstunden und Sonderzahlungen schlagend und im Krankheitsfall fortbezahlt wird.
SÄG-Novelle – Neuerung 3
Gehaltsvalorisierung für 2017
Die üblicherweise mit 1. Jänner eines Kalenderjahrs beschlossene Gehaltsvalorisierung wurde bereits bei den neuen Gehaltsschemata der Spitalsärzte berücksichtigt. Da die Höhe der Valorisierung für das Jahr 2017 derzeit noch nicht absehbar ist und lediglich Prognosen und Hochrechnungen vorliegen, wird mit dieser Gehaltsreform eine Valorisierung von 0,8 Prozent vorweggenommen. Sollte die Gehaltsvalorisierung 2017 für die Landesbediensteten des Landes NÖ über 0,8 Prozent liegen, bekommen die Spitalsärzte die Differenz zusätzlich zum gegenständlichen Gehaltsabschluss ausbezahlt. Allfällige Einmalzahlungen (d. h. nicht schemawirksame Entgeltzahlungen) werden mit der antizipierten Erhöhung von 0,8 Prozent kompensiert.
SÄG-Novelle – Neuerung 4
Umstellungszuschlag
Der Umstellungszuschlag, mit dem allen Ärzten im Kalenderjahr 420 Überstunden mit 50 Prozent Überstundenzuschlag gewährt werden (pro Monat 35 Überstunden mit 50 Prozent Überstundenzuschlag), wird bis 2018 verlängert.





