Nicht dem Leben mehr Tage …
… sondern den Tagen mehr Leben geben: So lautet das Motto des Palliativteams des LK Krems. Die hohe Qualität ihrer Arbeit wurde nun ausgezeichnet – diese Ehre wurde österreichweit erst drei Zentren zuteil.

Vom Palliativteam im LK Krems: (v.l.) Stationsleitung DGKS Gabriele Pachschwöll, Priv.-Doz. OÄ Dr. Gudrun Kreye, DGKS Elisabeth Posselt und Leiterin Mag. Dr. Ursula Heck

Bei der Verleihung der ESMO-Auszeichnung im September 2013 in Amsterdam: (v.l.) DGKS Elisabeth Posselt, Priv.-Doz. OÄ Dr. Gudrun Kreye und DGKS Gabriele Pachschwöll mit Prof. Nathan I. Cherny, MD (Vorsitzender der ESMO Palliative Care Working Group)

Das Kremser Palliativteam bekommt viele Briefe von Angehörigen von Verstorbenen, die sich für die Hilfe und Zuwendung bedanken.

Bei der 10-Jahres-Feier: (v.l.) Stationsleitung DGKS Gabriele Pachschwöll, Priv.-Doz. OÄ Dr. Gudrun Kreye, Landesrat Mag. Karl Wilfing, Leiterin der Palliativeinheit Mag. Dr. Ursula Heck, Pflegedirektorin Siegrun Karner, Bezirkshauptmann Stv. Mag. Christian Steger, Ärztl. Direktor Prim. Dr. Heinz Jünger, Regionalmanagerin Hon. Prof. (FH) Christa Stelzmüller, MAS, die Begründerin des Palliativteams Beatrix Wondraczek, Kaufm. Direktor DI Franz Laback und Stv. Med. Geschäftsführer NÖ Landeskliniken-Holding Dr. Markus Klamminger
Die Kremser Palliativeinheit gibt es seit zehn Jahren: helle Räume, bunte Bilder an den Wänden, eine gelöste Atmosphäre. Fernab des Klischees der „Sterbestation“, erklärt die Leiterin Mag. Dr. Ursula Heck: „Natürlich sterben bei uns auch Patienten, aber darum geht es nicht in erster Linie: Ziel ist, den Patienten möglichst viel Lebensqualität für die verbleibende Zeit zu geben. Schmerzen und Beschwerden zu nehmen, so gut es die moderne Medizin erlaubt, und sie im besten Fall in den Kreis ihrer Familie oder die Hospizpflege zu entlassen.“ Die Patienten bleiben durchschnittlich zwölf Tage auf der Station, kommen zum Erholen und Krafttanken. Zudem stellt ein umfangreiches Entlassungsmanagement bereits auf der Station sicher, dass die Patienten nach ihrer Entlassung optimal versorgt werden. Das Palliativteam fungiert dabei als Brücke zwischen Klinikum und dem Zuhause des Patienten.
Immer ein offenes Ohr
Zusätzlich zur medizinischen und pflegerische Betreuung erhalten die Patienten genau jenes Maß an Fürsorge, das sie brauchen, sagt Stationsleitung DGKS Gabriele Pachschwöll: „Wir haben immer ein offenes Ohr und nehmen uns viel Zeit für alle Sorgen und Ängste. Es gibt aber auch Patienten, die nicht reden wollen und abblocken – auch das ist in Ordnung. Jeder geht anders mit Krankheit und Tod um.“ Viele Patienten wollen noch einiges regeln, sagt Pachschwöll: „Wir hatten auch schon einige Hochzeiten hier“, und schmunzelt, „oder ein Patient wollte unbedingt ein Flinserl haben.“ Auch ungewöhnliche Wünsche werden, wenn möglich, erfüllt. Der Palliativeinheit mit ihren sechs Betten angeschlossen sind ein palliativmedizinischer Konsiliardienst, der Ärzten und Patienten auf den anderen Stationen des Hauses zur Verfügung steht, sowie ein mobiles Palliativteam aus Ärzten und Pflegekräften, das Patienten zuhause unterstützt. Die Koordinatorin DGKS Elisabeth Posselt steht mit ihrem Team beratend und anleitend zur Verfügung: „Wir halten mit den Patienten Kontakt, fragen nach, was gebraucht wird, ob Angehörige Entlastung brauchen – durch den Hospizverein, Hauskrankenpflege, 24-Stunden-Betreuung etc.“
Multiprofessionelles Team
Auch die Angehörigen werden vom multiprofessionellen Team – bestehend aus Ärzten, diplomiertem Pflegepersonal, Sozialarbeitern, Diätologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Psychotherapeuten, Seelsorgern und ehrenamtlichen Mitarbeitern – intensiv betreut. Denn die schwere Erkrankung eines Familienmitglieds oder Freundes ist für dessen Umfeld eine immense Belastung, sagt Pachschwöll: „Viele Angehörige sind dankbar für eine Anregung, wie sie mit der schwierigen Situation umgehen sollen. Wir helfen und unterstützen, wo Bedarf gegeben ist.“ Angehörige werden auch bis über den Tod des Familienmitglieds hinaus betreut. Wichtig sei, das Palliativteam möglichst früh beizuziehen, ab Beginn einer metastasierenden Erkrankung, meint Palliativärztin Heck und nennt die Temel-Studie, erschienen im New England Journal of Medicine im Jahr 2010: „Diese Studie belegt eindrucksvoll, dass eine frühzeitig begonnene palliative Begleitung bei Patienten mit Lungenkrebs nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern auch die Lebenszeit um mehrere Wochen verlängert.“ Daher sei die Zusammenarbeit mit der Onkologie besonders wichtig.
ESMO-Auszeichnung
Die beispielhafte Zusammenarbeit zwischen Onkologie und Palliativteam und viele weitere Faktoren haben dazu beigetragen, dass das LK Krems nun eine Auszeichnung erhielt – „ESMO Designated Centre of Integrated Oncology and Palliative Care” (ESMO = European Society for Medical Oncology). Dies ist eine Zertifizierung für onkologische Zentren, die erfolgreich palliativmedizinische Konzepte in den klinischen Alltag einbinden. Viele weitere Kriterien müssen erfüllt werden: Die palliativmedizinische Betreuung soll von ausgebildeten Experten erfolgen, vor allem ist die Interdisziplinarität des Teams gefragt. Ein sehr wichtiges Kriterium ist eine bestmögliche Organisation der Betreuung zu Hause. Ebenso wie rege Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Palliativmedizin oder die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung sowie aktive Lehrtätigkeit der an dem Zentrum arbeitenden Personen. Weltweit gibt es 160 Zentren mit dieser Zertifizierung, in Österreich erst drei: die Universitätskliniken Wien und Graz – und nun auch das LK Krems. Das Zertifikat der „Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie“ ist drei Jahre gültig und muss dann neu beantragt werden. In Krems ist man stolz auf diese Auszeichnung, man will sich aber nicht darauf ausruhen, sagt Palliativärztin Priv.-Doz. OÄ Dr. Gudrun Kreye: „Wir wollen dranbleiben und an weiteren Verbesserungen arbeiten.“ Eine Neuerung, die Besserungen bringt, steht kurz bevor: Ab Jänner 2014 gibt es zwei Interne Abteilungen, die Palliativeinheit ist dann der Onko-Gastroenterologie zugeordnet und wird auf zehn Betten aufgestockt.
Herz & Empathie
Bleibt noch eine Frage offen: Wie bewältigt man eigentlich den ständigen Umgang mit Schwerkranken und Sterbenden? Wesentlich ist der Zusammenhalt im Team und Psychohygiene – bei regelmäßigen Sitzungen kann man sich alles von der Seele reden, es gibt auch von externer Seite das Angebot der Supervision. Palliativärztin Kreye meint nachdenklich: „Es ist nicht leicht, aber wir haben die Chance, Menschen am letzten Stück des Weges zu begleiten. Jeder hat seine eigene Art, damit umzugehen. Und es kommt so viel Dank zurück.“ Das Palliativteam bekommt viele berührende Schreiben von Angehörigen von Verstorbenen, die sich für die Umsicht und Zuwendung bedanken, die sie in der schweren Situation erfahren haben. Was fest steht: Viel Herz und Empathie sind vonnöten. Man muss wohl ein besonderer Mensch sein, um dieser Arbeit gewachsen zu sein – das spürt man in Krems ganz deutlich.
INFOBOX
10 Jahre Palliativarbeit
Was vor zehn Jahren als Projekt einiger engagierter Mitarbeiterinnen begann, ist heute als fester Bestandteil des medizinischen und pflegerischen Angebots im LK Krems nicht mehr wegzudenken. Das multidisziplinäre Palliativteam pflegte in den vergangenen zehn Jahren rund tausend Patienten auf der sechs Betten führenden Station. Mehr als doppelt so viele wurden im Rahmen von Beratungstätigkeiten betreut.





