< vorhergehender Beitrag

„Ohne die Mitarbeiter ist man gar nichts“

Prim. Univ.-Prof. Dr. Klaus Böheim, seit 1991 Leiter der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung am Landesklinikum St. Pölten, leistete in vielen Bereichen Pionierarbeit. Den Erfolg schreibt er seinem gesamten Team zu. Mit Jänner 2013 geht er in den wohlverdienten Ruhestand. Ob er wirklich „Ruhe“ geben wird, ist jedoch fraglich.


Primarius Univ.-Prof. Dr. Klaus Böheim, Leiter der HNO-Abteilung am Landesklinikum St. Pölten

Prof. Klaus Böheim leitete 21 Jahre die 65 Betten führende HNO-Abteilung am Landesklinikum St. Pölten. Zuvor war er 1. Oberarzt an der Universitätsklinik in Innsbruck und sammelte u.a. Erfahrungen an der Harvard Medical School Boston. Zahlreiche Publikationen tragen seinen Namen, seit 1992 führt er eine Privatordination in der Landeshauptstadt. Prof. Böheim ist verheiratet und hat drei Söhne. 

 

Was war Ihre Motivation als Abteilungsvorstand nach St. Pölten zu kommen?

Böheim: Die HNO-Abteilung, vor allem die Ohrenheilkunde (Otologie), hatte österreichweit einen guten Ruf. Ich wollte die Tradition Prof. Dr. Johann Schobels fortsetzen. Als breit ausgebildeter Allrounder war es mein Ziel, in St. Pölten eine Maximalversorgung des gesamten Spektrums der HNO-Heilkunde anzubieten (u.a. Tumortherapie, Gesichtschirurgie, Traumatologie, implantierbare Hörsysteme). 

Gibt es irgendeine Behandlung in der HNO-Heilkunde, die Sie nicht anbieten?

Böheim: Ich war immer bemüht „Cutting-Edge-Medizin“ zu machen, also immer das Neueste einzuführen. Es gibt keine Operation, die ich nicht auch selbst durchgeführt habe. Mein Credo war, keinen Niederösterreicher/keine Niederösterreicherin wegen einer notwendigen Behandlung in ein anderes Klinikum verweisen zu müssen.

Waren Sie nicht auch an der Einführung des Hörscreenings für Neugeborene wesentlich beteiligt?

Böheim: Gemeinsam mit meinem damaligen 1. Oberarzt Dr. Harald Schlögel und mit der Unterstützung der heutigen Initiative „Gesundes NÖ“, haben wir in sämtlichen niederösterreichischen Kliniken mit geburtshilflichen Abteilungen diese  Hörscreeninggeräte implementiert. Seit 1997 ist diese Form der Früherkennung von kindlichen Hörstörungen Standard in Niederösterreich. 

 

Einzigartig in Niederösterreich werden an Ihrer Abteilung implantierbare Hörsysteme, z.B. das Cochlea-Implantat eingesetzt. Was kann man sich darunter vorstellen?

Böheim: Ein Cochlea-Implantat ist ein implantierbares Hörsystem das ein- oder beidseitig operativ eingesetzt wird und die Hörschnecke mittels Elektroden stimuliert. Ein Audioprozessor, der wie ein Hörgerät getragen wird, wird von unseren Logopäden nach der Operation aktiviert. Es ermöglicht schwer hörgeschädigten oder tauben Kindern sowie Erwachsenen hören zu können und ein Sprachverständnis (wieder) zu entwickeln. Mein Team und ich haben seit 2001 knapp 400 implantierbare Hörsysteme eingesetzt. 

Sie sind doch auch international tätig, oder?

Böheim: Nach wie vor halte ich international Vorträge. Seit  über 10 Jahren bin ich in den verschiedensten Ländern unterwegs und führe Ohroperationen, u.a. St. Petersburg, Jerusalem, Johannesburg, um einige zu erwähnen.  In Timisora, Rumänien half ich beim Aufbau eines Zentrums für Cochlea-Implantate. Bis jetzt wurden ca. 80 rumänische Kinder mit diesem Hörsystem versorgt. (Anmerkung der Redaktion: 2006 wurde Herrn Prof. Böheim für diese Aufbauarbeit der Ehrendoktortitel der Universität Timisoara in Rumänien verliehen). Da ich international viele Vergleichsmöglichkeiten habe, ist mir wichtig zu betonen, dass die Menschen im Landesklinikum St. Pölten die beste medizinische Versorgung vorfinden.  

Mit welchen Herausforderungen sahen Sie sich konfrontiert?

Böheim: Eine große Herausforderung war, mit dem anfangs geringen medizinischen Personal, eine Maximalversorgung im gesamten HNO - Bereich abzudecken und neue Bereiche aufzubauen. Vor 20 Jahren haben wir pro Jahr ca. 5.000 PatientInnen in der Ambulanz betreut. Mittlerweile sind es 25.000 PatientInnen pro Jahr.

Gibt es ein für Sie persönlich besonders schönes oder berührendes Erlebnis der vergangenen Jahre?

Böheim: Eines der schönsten Ereignisse - und das berührt mich nach wie vor noch sehr - war die Weihnachtsfeier der Selbsthilfegruppe der Cochlea-implantierten PatientInnen vor drei Jahren. Als ich den Raum betrat, gab es stehenden Applaus  der Erwachsenen und Kinder und den Angehörigen. Diese ehemals ertaubten Menschen sangen ein selbst einstudiertes Lied für mich. Tiefe Dankbarkeit war  spürbar. Ich habe  bewusst wahrgenommen, was wir geleistet haben. Menschen die vorher nicht mehr richtig gelebt haben, weil sie akustisch isoliert waren, können wieder freudig ihr Leben genießen.  Diese Arbeit machte und macht zutiefst Sinn für mich und erfüllt mein Leben. 

Herr Professor, woher nehmen Sie all Ihre Energie für die vielen Pionierarbeiten und Projekte?

Böheim: Zum Einen habe ich die Arbeit zu meinem Hobby gemacht, und zum Anderen bin ich ein beharrlicher Mensch. (An der Wand vor seinem Schreibtisch hängt seit 1998 sein Leitspruch: „Das Geheimnis des Erfolges ist die Beständigkeit des Wollens“). Außerdem habe das Glück einer intakten Familie, das Glück einer mich unterstützenden Partnerin, die mich fördert und mir den Rücken freihält. Sport gehört ebenso zu meinem Leben, wie z.B. Schitouren gehen und Mountainbiken. 

Wie sieht Ihr Resümee der letzten 21 Jahre als Abteilungsvorstand aus?

Böheim: Es war eine intensive Zeit, die rückblickend sehr schnell verflogen ist.  Ich konnte an der HNO-Abteilung viel bewirken, das ist allerdings nur durch eine gute Teamarbeit möglich, wofür auch eine ausreichend große Anzahl von Logopäden notwendig ist  Die Abteilung wurde für mich zur zweiten Familie. Ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist man gar nichts, am Erfolg sind immer viele beteiligt. 

Wenn Sie ein paar Wünsche frei hätten…?

Böheim: Mir ist die Integrität des Landesklinikums und die Integrität der HNO-Abteilung ein besonderes Anliegen. Persönlich wünsche ich mir weiter Spannkraft sowie Gesundheit für meine  Familie.