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Qualität messen nach dem Klinik-Aufenthalt

War die Behandlung im Klinikum erfolgreich? Gab es Komplikationen? Wie wurde der Patient im niedergelassenen Bereich weiterversorgt? Das wird nun erstmals nachverfolgt – in einem Pilotprojekt gemeinsam mit den Sozialversicherungen.


Martin Zusser, MSc, Abteilung Medizin und Qualität, NÖ Gesundheitsund Sozialfonds

Dr. Fabiola Fuchs, MSc, Abteilungsleiterin Medizin und Qualität, NÖ Gesundheits- und Sozialfonds

Gerhard Hutter, Obmann der NÖ Gebietskrankenkasse

Sektorenübergreifende Qualitätsmessung – eine Bezeichnung, die kaum Bilder im Kopf erzeugt. Dahinter steckt aber etwas geradezu Revolutionäres. Die Vorgeschichte: In den NÖ Landeskliniken gibt es seit 2009 ein System von Indikatoren, die es ermöglichen, in allen Abteilungen zu bestimmten Krankheitsbildern die Qualität der Behandlung zu messen, und zwar mit Routinedaten. Dieses Indikatoren- Set hat die NÖ Landeskliniken-Holding an das österreichische LKF-System adaptiert und in einer Österreich-Version eingeführt: A-IQI, die Austrian Inpatient Quality Indicators.

Was passiert mit den Ergebnissen dieser Messung? Werden in einer Abteilung besonders schlechte Behandlungsergebnisse gemessen, untersucht ein vom BMG entsandtes Dreier-Team aus Primarärzten anderer österreichischer Kliniken gemeinsam mit den an der Behandlung der Fälle beteiligten Abteilungsleitern die Krankenakten, um herauszufinden, worauf diese auffälligen Ergebnisse zurückzuführen sind: Stimmen die Abläufe nicht? Werden nicht die optimalen Medikamente verwendet? Fehlt es an Wissen? Oder wurden die Daten einfach falsch eingegeben? Diese sogenannten Peer Reviews stießen anfangs auf Skepsis – doch mittlerweile spüren alle Beteiligten, dass es nicht darum geht, jemanden an den Pranger zu stellen, sondern gemeinsam zu lernen, wie man es besser machen kann.

Verbesserungen schon spürbar

Seit 2011 gilt dieses NÖ System aus A-IQI und Peer Reviews für ganz Österreich: Das Gesundheitsministerium hat es verpflichtend allen Krankenhäusern vorgeschrieben. Dr. Fabiola Fuchs, MSc, die für die NÖ Landeskliniken- Holding federführend an der Entwicklung und Einführung des A-IQI-Systems gearbeitet hat, weiß: „Die jährlichen Klinikkennzahlen zeigen schon Verbesserungen. Dies liegt an den Maßnahmen nach den Peer Reviews, aber auch an der kritischen Beschäftigung der Kliniken mit ihren Ergebnissen in Form von internen Fallbesprechungen.“ 

Ausweiten der Messungen

Die Qualitätsmessung mit A-IQI bildet allerdings nur einen Teil der Behandlungsergebnisse ab, nämlich den Zeitraum in der Klinik, betont Fuchs, seit 1998 Leiterin der Abteilung Medizin und Qualität im NÖ Gesundheits- und Sozialfonds NÖGUS: „Aus Deutschland wissen wir, dass sich 30 bis 60 Prozent der Komplikationen nach der Klinik-Entlassung ereignen. Einflüsse auf das Gesamtbehandlungsergebnis, die Wirksamkeit der Versorgungskette oder die Qualität der Versorgung im ambulanten Bereich werden derzeit nicht erfasst. Deshalb ist es unabdingbar, den weiteren Weg der Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nachzuverfolgen.“

Dafür werden nun die Daten der Krankenhäuser mit denen der Sozialversicherungen zusammengeführt, in Niederösterreich arbeiten die Sozialversicherungsträger dafür mit dem NÖGUS am Projekt „Sektorenübergreifende Qualitätssicherung mittels A-CQI (Austrian Cross Sectoral Quality Indicators)“. Es wurde nach Beschluss in der Gesundheitsplattform (höchstes beschlussfassendes Gremium auf Landesebene) im Dezember 2012 gestartet. Die Krankenhausabrechnungsdaten (LKF) werden mit jenen der Sozialversicherungen verknüpft, erklärt DGKP Martin Zusser, MSc, Projektkoordinator des NÖGUS für A-CQI: „Ausgehend vom stationären Aufenthalt wird im niedergelassenen Bereich das Behandlungsergebnis weiterverfolgt, z. B. die Herzinfarkt-Sterblichkeit innerhalb von 30, 90 bzw. 365 Tagen und die Wiederaufnahmerate im ersten Jahr.“

12 Krankheitsbilder

Für das A-CQI-Verfahren wurden im ersten Schritt zwölf Krankheitsbilder bzw. Leistungsbereiche ausgewählt, und zwar nach den Kriterien Häufigkeit von Krankheitsbildern in der Bevölkerung, Hochrisiko-Operationen und sehr teure Verfahren. Die untersuchten Krankheitsbilder:

  • Herzinfarkt
  • Herzschwäche
  • Herzkatheter
  • Herzoperation
  • Schlaganfall
  • Hüftgelenksprothese
  • Kniegelenksprothese
  • Operation bei Dickdarmkrebs
  • Operation bei Enddarmkrebs
  • Operation bei Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • Bauchspeicheldrüsenoperation bei gutartigen Erkrankungen
  • große Operationen an der Speiseröhre

A-CQI ermöglicht die Beurteilung der Behandlung auf Patientenebene über die Sektoren hinweg und erzeugt somit ein aussagekräftigeres Bild der Versorgung. Mit ersten Ergebnissen ist mit Jahresende zu rechnen, sagt Fuchs, die schon für die Zukunft plant: „Nach den Datenanalysen und Peer-Review-Verfahren ist der nächste Schritt, Qualitätsindikatoren für den extramuralen Bereich – ausgehend vom Krankenhausaufenthalt – zu diesen Krankheitsbildern zu entwickeln. Damit wollen wir die Versorgungs- bzw. Ergebnisqualität für die gesamte ‚Patientenkarriere‘ messbar machen.“ 

„Qualität liegt uns am Herzen“

G&L INTERN sprach mit dem Obmann der NÖ Gebietskrankenkasse, Gerhard Hutter, über die Beteiligung am A-CQI-Projekt.

Die NÖGKK ist die größte Sozialversicherung in NÖ. Welchen Beitrag leistet sie zu diesem Qualitätssicherungsprojekt?

Wir liefern, wie andere betroffene Krankenversicherungsträger auch, ergänzende Daten. Und zwar jene Daten, die außerhalb der NÖ Fondskrankenanstalten zur Verfügung stehen. Konkret wird erhoben, wie viele Patienten im Anschluss an eine Spitalsbehandlung wieder in einem Krankenhaus aufgenommen werden und wie viele innerhalb von 30, 90 bzw. 365 Tagen versterben. Indem wir alle Daten – die innerhalb und die außerhalb der Krankenhäuser – zusammenführen, erhalten wir erstmals gesicherte Ergebnisse über den gesamten Bereich. Selbstverständlich immer unter Berücksichtigung aller datenschutzrechtlichen Regelungen.

Warum beteiligt sich die NÖGKK?

Qualität ist ein sehr wichtiges Thema, das der NÖGKK im Sinne der Patienten am Herzen liegt. Qualität ist aber auch ein Schwerpunkt der Gesundheitsreform, die den Aufbau und die Weiterentwicklung eines flächendeckenden, sektorenübergreifenden Qualitätssystems vorsieht – also genau das, was wir mit dem aktuellen Projekt umsetzen!

Was erwartet sich die NÖGKK von diesem Projekt?

Neben den wichtigen Ergebnissen zur Verbesserung der Qualität im Gesundheitswesen geht es uns darum, Erfahrungen zu sammeln und an einem Best- Practice-Modell zu lernen. Aufbauend auf den Erkenntnissen des Projektes A-CQI wollen wir in einem nächsten Schritt unter Einbindung der Ärzteschaft beginnen, das Qualitätsprojekt auch auf den niedergelassenen Bereich („Austrian Outpatient Quality Indicators – A-OQI“) auszuweiten.