Qualitätvoll lernen
Zwei Jungärztinnen, zwei verschiedene Ausbildungsmodelle – am Beispiel von Dr. Eveline Preu und Dr. Nina Schweiger aus dem Landesklinikum Scheibbs

(v.l.) Assistenzärztin Dr. Eveline Preu und Turnusärztin Dr. Nina Schweiger schätzen die hervorragende Lernsituation im Landesklinikum Scheibbs. Foto: Gerald Lechner

Dr. Eveline Preu kennt den Klinikbetrieb in- und auswendig, war nach ihrem Medizinstudium jahrelang in ihrem Zweitberuf als Hebamme tätig. Irgendwann kam der Wunsch, doch als Ärztin zu arbeiten; daher absolviert die 40-Jährige derzeit ihre Facharztausbildung zur Gynäkologin im Landesklinikum Scheibbs. Eveline Preus Herz schlägt für die Frauenheilkunde: „Es ist für mich das schönste Fach, weil Schwangerschaft und Geburt einfach zu den größten Wundern gehören.“ Die Ärztin weiß, wovon sie spricht, ist selbst Mutter von vier Kindern (17, 12, 7, 5 Jahre). Der Berufswunsch Gynäkologin stand von Anfang an fest, daher startete sie ihre ärztliche Laufbahn sofort mit den für die Facharztausbildung benötigten Gegenfächern. Sie ist nun Assistenzärztin an der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, kann als Hebamme bereits auf profundes Wissen und reichlich Erfahrung zurückgreifen. Bis sie fertige Gynäkologin ist, wird es noch viereinhalb Jahre dauern.
Verfechterin des Turnus
Ganz anders bei Dr. Nina Schweiger. Die 27-Jährige beendete im Juli 2012 das Medizinstudium und begann zwei Monate später als Turnusärztin im Landesklinikum Scheibbs. Sie ist eine eifrige
Verfechterin des Turnus, wird alle 36 Monate der Turnuszeit absolvieren: „Für mich ist der Turnus der Grundstock, eine gute Ausbildung in vielen Fächern. Ich bekomme ein fundiertes Grundwissen, auf dem ich aufbauen kann.“ Ob sie danach als Allgemeinmedizinerin arbeiten wird oder eine Facharztausbildung macht, ist noch offen. Bis August nächsten Jahres dauert ihre Turnuszeit, bis dahin wird sie in weitere Abteilungen hineinschnuppern, Erfahrungen sammeln und Neues lernen. Bis Ende November arbeitet die Turnusärztin noch auf der gynäkologischen Abteilung. „Hier gefällt es mir sehr, aber jede Abteilung hat ihren eigenen Reiz.“
Die Ärzteausbildung ist derzeit im Umbruch: Ab Juni 2015 wird der Turnus für alle neuen Medizinerinnen und Mediziner abgeschafft. Die frisch promovierten Ärzte sollen ab dann nach neuem Schema qualifiziert werden, legen sich nach einer neunmonatigen Basisausbildung fest, ob sie eine allgemeinärztliche oder fachärztliche Ausbildung anstreben (siehe Kasten). Das nächste große
Projekt, das die Regierung auf Schiene gebracht hat, ist die Reform der Arbeitszeit: Sie soll ab 2015 in Etappen sinken, von jetzt oft mehr als 70 Stunden auf 48 Stunden pro Woche. Ab 2015 dürfen Spitalsärzte nur noch mit ihrer Zustimmung maximal 60 Stunden im Dienst sein.
Kind & Karriere
Marathon-Dienste gehören spätestens dann der Geschichte an, sind aber auch jetzt schon deutlich seltener als früher, sagt Nina Schweiger: „Wir konnten aus verschiedenen Arbeitszeitmodellen wählen: Ich habe mich fürs Modell 48/60 entschieden, das heißt 48 Stunden durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche, maximal jedoch 60 Stunden. Inkludiert sind fünf verlängerte Dienste über dreizehn Stunden.“ Flexiblere Arbeitszeiten kommen auch der vierfachen Mutter Eveline Preu sehr entgegen, sie nimmt Elternteilzeit in Anspruch, das bedeutet 87,5 Prozent Arbeitsausmaß mit 35 Wochenstunden: „Dieses Modell der Elternteilzeit ermöglicht mir nun, auch als Ärztin zu arbeiten. Die fünf verlängerten Dienste pro Monat lassen sich mit Organisation, gutem sozialem Umfeld und Zusammenhalt der Familie leicht bewältigen.“
Hervorragende Ausbildung
Die Qualität der Ausbildung sei hervorragend, betonen die beiden Jungärztinnen: „Die Lernsituation ist sehr gut, es herrscht eine große Bereitschaft seitens der Kollegenschaft zu lehren – angefangen beim Ärztlichen Direktor über die Primar- und Oberärzte bis hin zum Pflegepersonal.“ Sie schätzen die Vorteile, die ein kleines Klinikum wie Scheibbs zu bieten hat, etwa in der fächerübergreifenden Zusammenarbeit. Dass es in einem kleinen Haus nicht alle Fächer gibt, sehen sie nicht als Nachteil: „Wir gehen mit den Konsiliarfachärzten mit, fahren in kleineren Fächern wie Dermatologie oder HNO zu Workshops, haben Round Tables, bei denen wir Fallbeispiele besprechen können. So bekommen wir wirklich gute Einblicke. Und für Fächer wie Kinder- und Jugendheilkunde sind wir drei Monate im Landesklinikum Amstetten.“ Nina Schweiger bringt es auf den Punkt: „Häufige Sachen sind häufig, seltene sind selten, egal wie groß das Klinikum ist. Ich will häufige Sachen gut machen und spezielle Sachen erkennen können. In einem Zentrum sehe ich nur mehr spezielle Sachen, weniger alltägliche. Ich will lieber eine Ärztin sein, die einen Blick auf den Patienten wirft und weiß, was ihm fehlt.“
Ärztemangel spürbar
Trotz der guten Lernsituation ist auch in Scheibbs der Ärztemangel spürbar, drei Turnusstellen sind unbesetzt. Das soll sich langfristig ändern, mit der neuen Ausbildung und der Arbeitszeitregelung sollen die Arbeitsbedingungen der Ärzte verbessert und der Beruf in den kommenden Jahren attraktiver werden. „Unser gesamter Arbeitsbereich ist derzeit im Umbruch. Tätigkeiten wie Blutabnehmen oder Venflonlegen übernehmen immer öfter die Pflegepersonen“, sagt Nina Schweiger. Für die Zukunft fänden die Jungärztinnen eine Dokumentationsassistenz hilfreich, wie es sie in einigen Kliniken bereits gibt, damit der Schreibaufwand für die Ärzte geringer wird.
Eveline Preu und Nina Schweiger sind Medizinerinnen mit viel Herz und Empathie, das spürt man. „Es ist einfach ein faszinierender Beruf, weil er das Wissenschaftliche mit dem Sozialen verbindet“, sagt Schweiger. „Und es ist ein dankbarer Beruf“, ergänzt Preu, „es kommt sehr viel zurück von den Patienten.“ Natürlich habe man auch oft mit dem Tod zu tun, „doch damit wird man spätestens im Sezierkurs an der Uni konfrontiert. Man lernt relativ früh, damit umzugehen“, meint Preu. Zudem gibt es Angebote wie Supervision und Seminare oder man tauscht sich mit Kollegen aus. Der Beruf beinhaltet eben die ganze Palette des Lebens – von der Geburt bis zum Tod, sagt Eveline Preu: „Es gab schon Tage, da ging ich direkt von der Geburtenstation zu einer sterbenden Patientin auf die Palliativstation. Wir begrüßen und verabschieden das Leben.“
Neue Ärzteausbildung
Die Regierung hat im September die neue Ärzteausbildung beschlossen. Nach dem Medizinstudium muss der angehende Arzt eine neunmonatige Basisausbildung im Krankenhaus absolvieren. Der Schwerpunkt liegt auf den Fachgebieten Chirurgie und Innere Medizin. Außerdem sollen die Jungärzte die 15 häufigsten Krankheiten erkennen lernen. Dazu zählen etwa Herz-Kreislauf-Störungen, Lungenkrebs, Alzheimer und Diabetes. Nach den neun Monaten müssen sie entscheiden, ob sie Facharzt oder Allgemeinmediziner werden wollen.
- Für den Allgemeinmediziner sind weitere 27 Monate Ausbildung in mehreren Spitalsabteilungen vorgesehen – ähnlich der bisherigen Praxis. Was danach kommt, ist neu: die Mitarbeit in einer Lehrpraxis über zumindest sechs Monate.
- Auf den Facharzt wartet eine 15-monatige Grundausbildung. Danach kommt die Schwerpunktausbildung, die zumindest 27 Monate dauert. Dabei stehen maximal sechs Module zu bestimmten Fachinhalten zur Wahl. Die Additivfächer entfallen und werden in die Ausbildung integriert.





