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Spezialist mit Menschenkenntnis

Prim. Priv.-Doz. Dr. Stefan Oberndorfer leitet die Abteilung für Neurologie am Uniklinikum St. Pölten. Neben der klinischen Arbeit setzt er auf Forschung, Lehre und interdisziplinäre Zusammenarbeit.


Prim. Priv.-Doz. Dr. Stefan Oberndorfer. Foto: Nadja Meister

Am meisten fasziniert hat ihn als jungen Arzt das Nervensystem – „der Ort, wo die Seele zu Hause ist und die Gedanken ihre Heimat haben“, sagt der Neurologe Prim. Priv.-Doz. Dr. Stefan Oberndorfer, Leiter der Neurologie im Universitätsklinikum St. Pölten. Der 1969 Geborene bezeichnet sich als technisch interessierten Menschen. Physik oder Maschinenbau standen zu Studienbeginn für ihn ebenso zur Wahl, aber „der Mensch ist die beste Maschine, ein fantastischer Computer“. Es gibt so unglaublich viel zu lernen über das Gehirn, der Stoff reiche für mehrere Leben, sagt Oberndorfer.
Er selbst trägt intensiv dazu bei, den Wissensstand in seinem Bereich zu erhöhen: Sein Kurzlebenslauf enthält allein 16 Buchbeiträge, 82 Abstracts und 88 Scientific Papers sowie 86 größere nationale und internationale Vorträge. Einen davon hat er gerade in Turin beim Jahreskongress des Wissenschaftlichen Ausschusses der European Association of Neuro Oncology (EANO) gehalten – heuer ist das „Jahr des Gehirns“: „Bei den Gehirntumoren, vor allem bei ihrer Biologie, verzeichnen wir einen enormen Wissenszuwachs. Jeder Tumor ist durch ein unterschiedliches Wachstum charakterisiert, jeder ist auch individuell therapierbar. Gehirntumore sind ein Paradebeispiel für individualisierte Medizin.“

Spezialisierung nötig

Wie geht man mit dem exponentiell wachsenden Wissen um? „Man muss sich in seinem
Spezialbereich so gut wie möglich auskennen, um für die Patienten das Maximum herauszuholen. Wir befinden uns in einem Zeitalter der Medizin, in dem es ohne Spezialistentum nicht geht.“ 27 Ärztinnen und Ärzte arbeiten an der Neurologie im Universitätsklinikum St. Pölten. „Wir haben in den meisten Bereichen des Faches Expertise und setzen entsprechende Schwerpunkte.“
Die Hauptthemen sind Multiple Sklerose, Neuroonkologie und Schlaganfall. Die Breite des Faches Neurologie spiegelt sich auch in den Spezialambulanzen wider (siehe Spalte links), die von den verschiedenen Spezialisten der Abteilung geleitet werden. Die Neuroonkologische Ambulanz leitet Oberndorfer selbst.
Flankiert ist das Team von vier Neuropsychologinnen, die zum Beispiel die Kognitions- und Funktionstests übernehmen und damit helfen, die Diagnostik zu verbessern und die Therapie­erfolge zu evaluieren.

Vorbereiten auf Studierende

Das Universitätsklinikum St. Pölten bereitet sich auf die Studierenden der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems (KL) vor. Die Studierenden werden ab 2016 nach drei Jahren an der Uni per Bedside-teaching auf eine in Österreich neue Art die restlichen drei Studienjahre absolvieren. „Die angekündigten KL-Studierenden erzeugen bei uns eine Aufbruch-Stimmung. Wir versuchen, in das hineinzuwachsen, was auf unserem Schild steht: Universitätsklinikum.“ Es sei eine gute Strategie, langsam und sukzessive die nötigen Rahmen­bedingungen und personellen Kapazitäten aufzubauen. Er teilt sein Team im Wesentlichen in drei Sorten von Ärztinnen und Ärzten: jene, die besonders gern lehren, jene, die sich lieber in der Forschung engagieren, und die, denen die klinische Tätigkeit am meisten liegt. Wichtig sei, alle drei Fähigkeiten in der Abteilung gut zu vereinen und für regen Wissensaustausch zu sorgen.

Forschen gehört dazu

Oberndorfer selbst arbeitet gern mit den Patienten. Vier Mal pro Woche übernimmt er die Visite, und man kann sich vorstellen, dass das bei den Patienten gut ankommt: Er ist ein freundlicher, empathischer Mann, wirkt ruhig und ausgeglichen. Aber auch die wissenschaftliche Arbeit, die aktuelle Forschung ist ihm enorm wichtig. „Sie hat mein Leben geprägt“, betont er, will sie an seiner Abteilung weiter ausbauen.
Die im Parlament beschlossene EU-Richt­linie zur Arbeitszeit von 48 Wochenstunden verbessert nun auch die Möglichkeit für klinisch tätige Medizinerinnen und Mediziner, neben der Arbeit mit den Patienten zusätzliche klinische Forschungs­arbeit zu leisten. Und er weiß: Neben der Ausbildungsqualität und den Karrierechancen ist den Jungärztinnen und -ärzten das „Klima“ an der Abteilung immer wichtiger.

Neues Karl-Landsteiner-Institut

Im Sommer gründete Oberndorfer mit seinem Team das Karl-Landsteiner-Institut für Neurologie und Neuropsychologie, das am 6. November mit Fachvorträgen hauseigener Spezialisten sowie von Oberndorfers Vorgänger Prim. Dr. Ulf Baumhackl im Universitätsklinikum eröffnet wurde. „Wir forschen mit Unterstützung der Industrie – das ist ein sehr wichtiger Aspekt“, betont der Neurologe. Eine seriöse und transparente Zusammenarbeit steigere die Qualität, es gehe dabei um klar definierte Ziele. „Allein ist man heute nicht mehr in der Lage, große Studien aufzusetzen. Wenn man sich entwickeln will, sind diese Kooperationen eine wichtige Säule.“
Am 26. November lud die Neurologie in Niederösterreich zu einer Veranstaltung zum Jahr des Gehirns ins Landhaus. Denn auch die breite Information der Öffentlichkeit ist Oberndorfer ein Anliegen.

Interdisziplinäres Arbeiten

Immer wichtiger werde die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Haus – mit der Neuro­chirurgie, den internistischen Abteilungen, der Intensivmedizin, der physikalischen Medizin und vielen anderen bettenführenden Abteilungen ebenso wie mit den Diagnose-Experten der Radiologie, der Labors, der Hygiene und der Pathologie. Weiters: „Die enge Zusammenarbeit mit den Therapeuten der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und den Neuropsychologen ist das Rückgrat der neurologischen Therapie“, betont Oberndorfer.
Wie sieht er die Zukunft der Medizin? Sie entwickle sich zu einer am Syndrom orientierten Medizin, erklärt der Experte, „weil die Beschwerden ja nicht an der Organgrenze aufhören“. Er nennt das Beispiel Rückenschmerzen – Neurologe, Orthopäde, Neurochirurg, Radiologe, Traumatologe, physikalische Mediziner und Schmerzspezialisten seien an der Abklärung und Therapie beteiligt, „jeder hat seinen Blickwinkel, jeder umfasst ein gewisses Spektrum der Diagnose und Differentialdiagnose sowie der therapeutischen Ansätze.“ Ein Lösungsansatz wären interdisziplinäre Einheiten, die sich Syndrom-orientiert mit Diagnose und Therapie befassen.

Berge & Meer

Und was tut der Hirnspezialist zur eigenen Entspannung und Gesundheit seines Nervensystems? „Wichtig ist – und das lernt man auch: Man braucht einen Ausgleich, damit man Dinge besser verarbeiten kann.“
Für ihn bieten die Berge einen geeigneten Raum – bergsteigen, klettern, wandern geht der Vater dreier Kinder gern in Österreich, hauptsächlich in den Voralpen, im Salzkammergut und den Kalkalpen, im Winter macht er Schitouren „so oft Zeit bleibt“. Und er liebt das Meer, segelt gerne, hat bald nach der Matura das Hochseepatent gemacht und auch schon den Atlantik überquert. Meist segelt er heute im Mittelmeer, liebt dort Natur, Kultur und Menschen. „Mit dem Meer ist es wie mit den Bergen – es gibt mir ein beruhigendes Gefühl der Geborgenheit.“

Lebenslauf             

1988: Studium Medizinische Universität Wien
1995: Promotion zum Doktor med. univ. mit Dissertation
1996: Turnus im KH Krems
1998: Gegenfach Psychiatrie, Uniklinik Psychiatrie Wien/Schlaflabor
1999: Ausbildungsstelle zum Facharzt für Neurologie KFJ-Spital
2003: Facharzt für Neurologie
2004: Konsiliarneurologe für Orthopädie Speising und KH Floridsdorf in Wien
2006: Universitätslektor an der Medizinischen Universität Wien
2007: Sekretär der Österreichischen ARGE Neuroonkologie der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie ÖGN
2007: Leitung einer neurologischen Bettenstation
2008: Donau-Universität Krems: Diplom für Krankenhausmanagement
2009: Editor: Case report section for the EANO Homepage
2010: Venia docendi an der Medizinischen Universität Wien
2011: Stv. Vorsitzender der SANO (Society for Austrian Neurooncology)
2011: Abteilungsleitung Neurologie, LK St. Pölten-Lilienfeld
2012: Member of the Scientific Board: EANO (Eur Ass for NeuroOncology)
2013: Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neuroonkologie (SANO)
2014: Leiter des Karl Landsteiner Instituts für Klinische Neurologie und Neuopsychologie

Die Spezialambulanzen der Abteilung für Neurologie am Uniklinikum St. Pölten:

  • Neurointensiv-Konsiliardienst
  • Schlaganfallambulanz/Ultraschall
  • Gedächtnisambulanz
  • Neuropsychologische Testung
  • MS-Ambulanz
  • NLG/EMG Neuromuskuläre Ambulanz
  • Ambulanz für Bewegungsstörungen
  • BTX-Ambulanz
  • Epilepsie-Ambulanz
  • Kopfschmerz-Ambulanz
  • Spastik – ITB
  • Neuroonkologische Ambulanz