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Was bringt die Gesundheitsreform?

Für die Landeskliniken wird sich wenig ändern – da sind sich alle einig, die für GESUND&LEBEN INTERN über das Thema miteinander geredet haben. Für die Patientinnen und Patienten aber hoffentlich schon einiges.


(v.l.) Mag. Martin Bauer, Dr. Gerald Bachinger, Mag. Riki Ritter-Börner, Mag. Gert Kovarik, Dr. Robert Griessner, LH-Stv. Mag. Wolfgang Sobotka

„Die partnerschaftliche Zielsteuerung ist bloß ein erster Schritt in die richtige Richtung.“ LH-Stv. Mag. Wolfgang Sobotka

„Eine gemeinsam finanzierte Versorgung durch Kliniken und niedergelassenen Bereich, wie sie Reformpool- Projekte leisten sollten, ist bisher gescheitert.“ Mag. Martin Bauer vom NÖ Gesundheits- und Sozialfonds NÖGUS

„Wir brauchen eine gemeinsame Regelung, damit Patienten dort behandelt werden, wo es für sie am besten ist.“ Dr. Robert Griessner, Medizinischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding

„Die Versorgung in Klinikambulanzen ist teurer als die gleichwertige Versorgung bei Haus- und Fachärzten.“ Mag. Gert Kovarik, stellvertretender Kaufmännischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding

„Mit der Gesundheitsreform kommt ein deutlich gestärktes Hausarzt-System in Zusammenarbeit mit Pflegekräften.“ Dr. Gerald Bachinger, NÖ Patienten- und Pflegeanwalt

Thema „Gesundheitsreform“ berichtet wurde, ist erst eine gemeinsame Willenserklärung dafür, dass man künftig gemeinsam planen will in Sachen Gesundheitsversorgung: Bund und Länder haben sich Ende 2012 auf eine neue Vereinbarung geeinigt, mit der ein partnerschaftliches Zielsteuerungssystem für Bund, Länder und Sozialversicherungsträger eingerichtet wird. Das Ziel ist, was viele Experten schon sehr lange fordern, eine hochwertige und gleichzeitig sparsame Gesundheitsversorgung bieten zu können: Dass die unterschiedlichen Interessen der Finanziers im Gesundheitswesen überwunden werden – also von Bund, Ländern und Krankenkassen. Denn, beklagt Landeshauptmann-Stellvertreter Mag Wolfgang Sobotka: „Derzeit zahlen die Kassen die Kosten für den niedergelassenen Bereich und einen gedeckelten Beitrag zur Spitalsfinanzierung. Es ist also durchaus im Interesse der Kassen, dass die Patienten in die Spitalsambulanzen kommen, denn das kommt sie billiger. Für die Landeskliniken ist das aber eine enorme finanzielle Belastung.“ 

Keine Finanzierung aus einer Hand

Eine Finanzierung aus einer Hand wird es allerdings vorerst nicht geben, sondern nur eine gemeinsame Zielsteuerung. Aber, so hoffen die Beteiligten, auch dadurch könnten Doppelgleisigkeiten vermieden und die Versorgung besser am Wohl der Patientinnen und Patienten ausgerichtet werden. Sobotka fordert schon lange eine grundlegende Reform: „Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass nur eine Finanzierung aus einem Topf diese oft divergierenden Interessen überwinden könnte. Die partnerschaftliche Zielsteuerung ist daher für uns bloß ein erster Schritt in die richtige Richtung.“ Selbst diese Vereinbarung zwischen Bund und Ländern sichere noch nicht, dass sich im Gesundheitssystem wirklich etwas ändert. Denn ob die Vereinbarung in dieser Form vom NÖ Landtag ratifiziert werden kann, wird wesentlich auch davon abhängen, ob der Bundesminister für Gesundheit die erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen will und kann, mit denen erst die für die Umsetzung erforderlichen Instrumente vorliegen werden. Sobotka: „Wir werden sehr genau darauf achten, dass die notwendigen Gesetzesnovellen gleichzeitig erarbeitet werden.“

Viele offene Fragen

Und der Landeshauptmann-Stellvertreter ergänzt: „Ob die Reform – die ich übrigens nicht als Gesundheitsreform, sondern als Finanzierungsreform bezeichnen würde – tatsächlich spürbare Verbesserungen in der Versorgung bringen wird, hängt außerdem davon ab, wie sehr die Sozialversicherung bereit ist, wirkliche Veränderungen an der Schnittstelle zwischen dem extraund dem intramuralen Bereich einzuleiten und auch mitzutragen.“ Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die Sozialversicherungsträger nicht bereit waren, finanzielle Risiken zu übernehmen, die mit Veränderungen an der Schnittstelle unweigerlich verbunden sind, sagt Mag. Martin Bauer vom NÖ Gesundheits- und Sozialfonds NÖGUS: „Wir hatten und haben zwar in NÖ einige gemeinsame Reformprojekte, bei denen durchaus auch neue Wege beschritten wurden und die heute elementare Bestandteile der intramuralen Versorgung sind – wie die Interdisziplinären Aufnahmestationen, das Entlassungsmanagement und die Hospiz-/ Palliativversorgung. Die bisherige Reformpool- Idee wird von allen maßgeblichen Gesundheitsexperten aber als gescheitert angesehen.“ Dr. Robert Griessner, Medizinischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken-Holding, ergänzt: „Diese Projekte waren aber zum weit überwiegenden Teil im Spitalsbereich angesiedelt – wir haben uns deutlich bewegt, sind offen für neue Ideen, die den Patienten nützen. Aber das ist nicht genug, wir brauchen eine gemeinsame Regelung, damit Patienten dort behandelt werden, wo es für sie am besten ist.“ Mag. Gert Kovarik, stellvertretender Kaufmännischer Geschäftsführer der NÖ Landeskliniken- Holding, erklärt: „Die Vereinbarung sieht eine enge Kooperation bei der Abstimmung von Versorgungszielen, Planungswerten und bei der Gestaltung von Versorgungsprozessen und -strukturen sowie im Bereich der Qualität vor. Im Wesentlichen sollen einvernehmlich Maßnahmen getroffen werden, die nicht nur die Versorgungslandschaft verbessern, sondern die stark steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen dämpfen sollen. Wir müssen den starken Zug in die Klinikambulanzen unbedingt eindämmen, das ist viel teurer als die gleichwertige Versorgung durch Haus- und Fachärzte.“ Und er betont auch die Wichtigkeit der elektronischen Gesundheitsakte ELGA, die eine geldsparende Kooperation aller Player im Gesundheitsbereich erst möglich macht. „Beschlossen ist sie, jetzt geht es um die zügige Einführung. Wir haben in den Landeskliniken alle Vorarbeiten geleistet – NÖ ELGA als niederösterreichischer Pilot läuft bereits.“

Suche nach besseren Wegen

Und Sobotka bringt es auf den Punkt: „Wir sind also einerseits wieder auf der Suche nach Kompromissen zu Veränderungen an der Schnittstelle zwischen den Krankenanstalten und dem niedergelassenen Bereich. Was bisher bei der Reformpool-Idee mangels Bereitschaft der Sozialversicherung nicht funktioniert hat, soll nun als grundsätzliches System eingerichtet werden. Das alleine macht die Reform noch nicht zu einer Gesundheitsreform. Andererseits sind erstmals bundesweit Ausgabenobergrenzen einzuhalten und Ausgabendämpfungseffekte zu erzielen. Das bezeichne ich aber eher als Finanzierungsreform. Ich halte das auch für notwendig, um die nachhaltige Finanzierbarkeit des Systems sicherstellen zu können. Nur so können wir uns leisten, die medizinische Versorgung auf diesem hohen Niveau aufrechtzuerhalten. Wir brauchen dabei auch keine Sorge haben, dass Leistungskürzungen, wie in anderen Staaten (Griechenland, Spanien usw.) auch in Österreich notwendig werden.“

Und die Veränderungen?

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenanstalten wird sich also nichts ändern, weder werden Kliniken noch Abteilungen wegen der Gesundheitsreform geschlossen, denn die derzeitige Situation stützt sich auf den Versorgungsauftrag des Bundes. Für die Patientinnen und Patienten soll sich aber trotzdem einiges ändern, weiß – und hofft – Dr. Gerald Bachinger, NÖ Patienten- und Pflegeanwalt und Sprecher der Patientenanwälte Österreichs: „Mit der Gesundheitsreform stehen ganz wesentliche Änderungen bevor wie eine Verlagerung zu „Primary Health Care“, der Verlagerung der Grundversorgung durch ein deutlich gestärktes Hausarzt-System in Zusammenarbeit mit Pflegekräften. Denn das ist wohnortnahe und niederschwellig, patienten- und familienorientiert – und nicht zuletzt wirtschaftlich am günstigsten.“ Bachinger betont, dass der Hausarzt noch mehr Teamspieler in einer abgestuften Versorgung sein muss. Gleichzeitig stehe auch in der Vereinbarung zur Reform, dass es durchgängige Qualitätskontrollen in der Versorgung geben müsse. „Die NÖ Landeskliniken sind da österreichweit Vorreiter, sie machen das wirklich hervorragend. Die Qualitätskontrolle im niedergelassenen Bereich wird schon lange diskutiert, jetzt soll sie kommen.“ Für die Patienten bringe die Reform also viel, freut sich Bachinger.