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Wissen, was drin ist

Eine neue EU-Verordnung bringt mehr Informationen für Allergiker: Beim Essen muss nun erfragbar sein, welche Allergene es enthält. Eine Herausforderung – auch für die Klinik-Küchen.


Diätologinnen aus den NÖ Kliniken und Mitarbeiterinnen der Abteilung Einkauf trafen sich zum Erfahrungsaustausch: 1. Reihe: (v. l.) Eva Maria Grafeneder (Lead Buyer Lebensmittel), Maria Ableidinger, Martina Haider,

Der 13. Dezember 2014 war für die Gastronomie – und damit auch für alle Klinik-Küchen – ein Stichtag, der’s in sich hat: Die EU-Verordnung betreffend die Information über Lebensmittel trat in Kraft. Seither müssen Verbraucherinnen und Verbraucher über die Verwendung von 14 definierten Allergenen informiert werden – die Österreich-Verordnung sieht zusätzlich die Kennzeichnung von Aspartam, Aspartam-Acesulfamsalz und mehrwertigen Alkoholen vor, die als Süßungsmittel verwendet werden. Was bisher für verpackte Waren galt, ist nun auch für unverpackte verbindlich. Betroffen sind jene Allergene, die am häufigsten Symptome auslösen: Diese reichen von Atemnot, Ausschlag bis – im schlimmsten Fall – zum anaphylaktischen Schock mit Kreislaufversagen. Betroffene müssen das jeweilige Lebensmittel daher strikt meiden. Zum bestmöglichen Schutz von Allergikern müssen Köchinnen und Köche nun genau Auskunft darüber geben können, was sie servieren. Entweder vermerken sie die 14 betroffenen Allergene schriftlich in der Speisekarte, dies ist jedoch nicht verpflichtend. Oder sie informieren mündlich. Es muss daher für jedes Gericht eine genaue Zutatenliste aufliegen, in der man nachschauen kann, ob Allergene vorkommen und auf Nachfrage darauf hinweisen. Die Thematik ist komplex, zumal sich viele Allergene in Produkten finden, in denen man sie nicht vermuten würde: glutenhaltiges Getreide etwa ist Bestandteil vieler Kartoffelfertigprodukte, Fertigsuppen und -saucen. Sellerie wird manchen Wurstwaren und Ketchup zugefügt. Senf ist in Dressings und Marinaden enthalten usw.

Service in Niederösterreich

Jedes Klinikum muss nun für jedes Gericht eine exakte Auflistung der Zutaten vorweisen. In Niederösterreich kümmert sich die Abteilung Einkauf der Holding-Zentrale darum, den Kliniken Informationen zur Verfügung zu stellen, sagt Sabine Gmeiner, Bereichsleitung Datenmanagement und stellvertretende Leiterin der Abteilung Einkauf in der Holding-Zentrale: „Durch den gemeinsamen Einkauf für die Kliniken werden viele Daten von uns zentral verwaltet. Daher fordern wir von allen Lieferanten exakte Zutatenlisten an – ein aufwändiges Unterfangen.“
Die Abteilung Einkauf nimmt den Kliniken damit eine Menge Arbeit ab: Die NÖ Landeskliniken-
Holding ist der einzige Krankenhaus-Betriebsführer Österreichs, wo die Umsetzung der Allergenkennzeichnungsverordnung zentral vom Einkauf koordiniert bzw. unterstützend gesteuert wird. In den anderen Bundesländern bleibt das den Kliniken über­lassen. Der Bereich Datenmanagement der Abteilung Einkauf spielte für Klinik-Küchen mit dem EDV-
System SAP-VPM die Daten ein. Die anderen Küchen bekamen ein vordefiniertes, befülltes Excelformat zur Verfügung gestellt. „Sämtliche Datenblätter werden auf der Einkaufsdatenplattform zum Download zur Verfügung gestellt. Aber es gibt natürlich noch Nachbesserungen“, sagt Gmeiner. Der Bildungs­katalog der NÖ Landeskliniken-Holding bietet auch Schulungen dazu an.
Viele Synergien wurden und werden genutzt, damit die Umsetzung bestmöglich funktioniert: Die Fachgruppe Diätologie mit den Diätologinnen der NÖ Landes- und Universitätskliniken sowie der Abteilung Einkauf tagte erstmals im April 2014, um alle Produktdatenblätter zu sichten, die relevanten Allergene in einer Liste zu erfassen und den Anwendern die Datenblätter auf der Einkaufsdatenplattform zur Verfügung zu stellen. Dafür wurde eine komplett neue Datenstruktur erarbeitet. Das Datenmanagement der Abteilung Einkauf organisierte zudem laufend Workshops für die Fachgruppe der Diätologie. Edith Sommerauer, leitende Diätologin im Uniklinikum St. Pölten und Mitglied der Fachgruppe Diätologie, wünscht sich auch Küchenleiter in der Fachgruppe: „Solche umfangreichen Projekte können nur gemeinsam erfolgreich umgesetzt werden. Von der Diätologin kommt der medizinisch, ernährungswissenschaftliche Input und in der Küche wird dies umgesetzt. Dies erfordert eine intensive Zusammenarbeit und
laufende Kommunikation.“ Das Uniklinikum St. Pölten kennzeichnet wie folgt, sagt Sommerauer: „Bei Essen auf Rädern befindet sich die Allergenkennzeichnung am Speiseplan. Im Klinikum selber haben wir uns für die mündliche Auskunftsmöglichkeit entschieden. Der logistische Aufwand wäre zu hoch, wenn für unsere an die 30 Kostformen eine schriftliche Kennzeichnung in allen stationären Bereichen verteilen müssten. Jedes Klinikum hat eigene Allergenbeauftragte definiert, die bei Bedarf Auskunft geben können.“
Die Küchenleiter sind in der Rezeptgestaltung bzw. der Rezeptänderung weiterhin ungebunden. Allerdings muss sich, sobald das Rezept im EDV-System erfasst ist, jeder Mitarbeiter genau daran halten und darf es nicht während des Kochvorgangs ändern. Denn nur so ist die korrekte Hinterlegung der allergenen Inhaltsstoffe gewährleistet. Wolfgang Zeman, Küchenleiter im LK Stockerau, ist nicht ganz glücklich mit der neuen EU-Verordnung: „Man muss sich nun an standardisierte Rezepte halten, darf nicht mehr nach Belieben die Zutaten verändern. Das bedeutet sonst einen Aufwand, man muss neue Produktdatenblätter einspielen usw.“ Zeman bedauert, dass die Kreativität nun etwas eingeschränkt werde: „Kochen ist nun malen nach Zahlen – Van Goghs werden nicht mehr so schnell entstehen.“ Für die Unterstützung der Abteilung Einkauf ist er sehr dankbar: „Das Datenmanagement hat toll funktioniert; wir haben alle Informationen bekommen, die wir brauchen.“ Der Strafrahmen bei Verstößen gegen die EU-Verordnung ist mit bis zu 50.000 Euro ungewöhnlich hoch. Und die nächste Herausforderung lauert schon in den Startlöchern: In naher Zukunft müssen auf Lebensmitteln die Nährwerte gekennzeichnet werden. Die NÖ Kliniken werden auch diese Aufgabe meistern.

14 Allergene

Diese Inhaltsstoffe müssen seit 13. Dezember 2014 ausgewiesen werden:

  • Glutenhaltiges Getreide (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut)
  • Eier
  • Fisch
  • Erdnüsse
  • Soja(-bohnen)
  • Milch (inkl. Laktose)
  • Schalenfrüchte (Hasel-, Wal-, Cashew-, Pekan-, Para-, Macadamia- und Queenslandnuss, Pistazie und Mandel)
  • Sellerie
  • Senf
  • Sesamsamen
  • Schwefeldioxid und Sulfite
  • Lupinen
  • Weichtiere (Schnecken, Muscheln, Tintenfische)
  • Krebstiere